Weide – das Pflanzenporträt

Weide – das Pflanzenporträt

Zauberstäbe, Fachwerkhäuser und Aspirin: Die Weide ist in unserer Geschichte allgegenwärtig, auch als wichtige Bereicherung vieler Ökosysteme, die unzähligen Tierarten Nahrung und Schutz bietet. Weidenrinde hat außerdem schmerzstillende und antientzündliche Eigenschaften – und zählt damit zu den wichtigen Heilpflanzen.

Steckbrief: Die Weide in Kürze

  • Botanischer Name: Salix
  • Systematik:
  • Ordnung: Malpighienartige (Malpighiales)
  • Familie: Weidengewächse (Salicaceae)
  • Gattung: Weiden
  • Vegetative Merkmale: sommergrünes Laubgehölz (Baum, Strauch oder Zwergstrauch)
  • Blütezeit: meist zeitig ab März, tlw. Mai – Juni
  • Blüten als flaumige, nektarreiche Kätzchen
  • Blätter je nach Art unterschiedlich, rund bis schmal lanzettförmig, Blattunterseite meist behaart

Die Weide und ihre unzähligen Arten

Weide – das Pflanzenporträt: Weide-ÄsteWeide ist nicht gleich Weide: In unzähligen Varietäten und Kreuzungen tummeln sich etwa 450 verschiedene Arten unter dem Gattungsnamen Salix. Sie wachsen vornehmlich in Gebieten der nördlichen gemäßigten Zone, bis in die Arktis hinein.

Gerne siedeln Weidenbäume sich auf tiefgründigen, nährstoffreichen Böden mit guter Wasserversorgung an: Die Weide wächst bevorzugt in feuchten Niederungen und Tälern, in Au- und Bruchwäldern, am Ufer von Bächen und Flüssen oder in Moorlandschaften. Sie klettert aber auch in die Mittelgebirge empor.

Ihre Vorliebe für das Feuchte zeigt sich übrigens auch im wissenschaftlichen Namen: Die Bezeichnung Salix leitet sich wahrscheinlich aus dem Keltischen ab und setzt sich aus Sal = nahe und Lis = Wasser zusammen. Die deutsche Bezeichnung Weide kommt vom althochdeutschen wida – das bedeutet „Die Biegsame“. 

Weidenbäume bereichern viele Ökosysteme

Weiden wachsen als sommergrüne Bäume, Sträucher und Zwergsträucher – manche Arten werden nur wenige Zentimeter hoch, andere erreichen als Bäume leicht Höhen von 30 Metern. Als Bäume bilden Weiden ausladende Kronen aus aufrechten, kräftigen Zweigen.

Weiden sind Pionierpflanzen, die einen lichten Standort lieben, gerne als erste Wüstungen und andere kahle Flächen besiedeln und diese schnell mit ihrem Buschwerk überziehen. Die spiralig wachsenden Weidenblätter können bei den verschiedenen Arten recht unterschiedlich aussehen – manche sind rund, andere schmal und lang. Die Blattunterseite ist meist mehr oder weniger stark behaart.

Weiden sind in der Regel zweihäusig – männliche und weibliche Blüten wachsen an unterschiedlichen Bäumen. Die aufrecht stehenden Weidenkätzchen blühen früh im Jahr auf und zählen zur ersten Bienennahrung im Jahr.

Überhaupt ist die Weide eine wichtige Bereicherung für ihr Ökosystem, die vielen Kleintieren wie Insekten und Vögeln Deckung und Nistmöglichkeiten schenkt. In seinen Bedürfnissen besonders eng an die Weide angepasst ist der Biber. Die Weidenrinde stellt eine Hauptnahrungsquelle für ihn dar, und die geschälten Weidenäste dienen ihm als Burgen-Baumaterial.

Für den Menschen waren Weidenbäume lange unentbehrlich

Weide – das Pflanzenporträt: Die WeidenpflanzeDie Geschichte der Weide als Nutzpflanze für uns Menschen ist uralt. Das leichte, geschmeidige Weidenholz war als Brennholz zwar eher schlecht zu verwenden. Umso wichtiger war die Weide über Jahrtausende als Materiallieferant für jede Art von Flechtwerk.

Weidenruten sind sehr lang und biegsam, dabei aber auch sehr fest – und sie wachsen schnell. Damit sind sie bestens als Flechtmaterial geeignet. Körbe, Truhen, Möbel und auch Reusen für den Fischfang, Zäune, Grundgerüste für Fachwerkhäuser und Befestigungen von Ufern und Böschungen sowie Flechtwerk für den Deichbau – seit Jahrhunderten werden die verschiedensten Dinge aus Weidenruten hergestellt. Die gerbstoffreiche Weidenrinde fand zudem in der Gerberei Verwendung, Blätter und Wurzeln nutzte man als Färbemittel, Aststücke wurden zu Zeichenkohle verarbeitet.

Zum Ernten von Ruten wurden Weiden in alten Zeiten oft als Kopfweiden gezogen: Dafür kürzte man den Stamm von Jungbäumen auf einer Höhe von etwa ein bis drei Metern. Alle paar Jahre wurden die aus dem Kopf austreibenden Ruten geerntet. Uralte Kopfweiden prägten über Jahrhunderte viele Kulturlandschaften.

Heute werden Kopfweiden kaum noch genutzt und bekommen deshalb selten die Pflege, die für ihr Fortbestehen nötig ist. Meist sind es jetzt Naturschutzorganisationen, die sich um diese besonderen Bäume kümmern, um sie als Lebensraum für Wildtiere wie Fledermäuse und Eulen zu erhalten. 

Die Weide in der Mythologie

Die Weide war für Menschen seit alters her ein sehr nützlicher Baum – im Volksglauben galt sie aber oft als unheimlich und der Anderswelt nahestehend. In verschiedenen Kulturen war die Weide dem Mond geweiht und stand auch dem Wasser nah. Weidenrinde diente als Räucherwerk dazu, mit dem Mond und mit Wasserwesen in Verbindung zu treten.

Die Weide galt als magischer Baum, der nach altem Glauben Geister und Hexen anzog. Aus Weidenholz sollen oft Zauberstäbe hergestellt worden sein. Einerseits stand die Weide im Verdacht, Unfruchtbarkeit und anderes Unglück zu verursachen. Andererseits sollte sie aber auch Krankheit und bösen Zauber auf sich nehmen können – etwa wenn man sich in einen hohlen Weidenstamm stellte oder sich dem Baum bei Vollmond mit einem Spruch näherte.

Im alten Griechenland war die Weide der Erntegöttin Demeter geweiht. In germanischen und keltischen Kulturen spielten blühende Weidenzweige eine wichtige Rolle beim Frühlingsfest – nach der kalten, dunklen Winterzeit waren sie Symbol der erwachenden Natur und des wiederkommenden Lichts. 

Die Weide in der Medizingeschichte

Weidenrinde als Heilmittel wird wohl bereits im Gilgamesch-Epos um 2000 vor Christus erwähnt. Auf assyrisch-babylonischen Tontafeln aus der Zeit um 700 v. Chr. tauchen Rezepturen mit Weidenblättern auf. In der Heilkunde der alten Hochkulturen Indiens, Vorderasiens und Ägyptens hatten Weidenrinde, -blätter und -zweige ihren festen Platz als fiebersenkende und schmerzstillende Mittel. Auch Hippokrates kannte Weidenrinde und verordnete sie bei Fieber, Gelenkentzündungen und sonstigen Schmerzen. Gebärenden empfahl er, gegen den Geburtsschmerz Weidenblätter zu kauen.

Im europäischen Mittelalter wurde Weidenrinde als Tee gemäß der Signaturenlehre bei Rheuma und anderen Gelenkerkrankungen eingesetzt. Weiden standen ja selbst häufig im kalten Wasser, darum galten sie als das geeignete Behandlungsmittel für durch Kälte und Nässe verursachte Erkrankungen.

Im 18. Jahrhundert dann wurde Weidenrinde zum wichtigen Therapeutikum für die Behandlung von Wechselfieber. Seit dem 17. Jahrhundert war chininhaltige Chinarinde das wichtigste Mittel gegen solche Fiebererkrankungen. Diese war aber sehr teuer, sodass man sich auf die Suche nach einem preisgünstigeren Ersatz machte. Die Rinde der Weide erwies sich als effektives Fiebermittel: Als „europäische Fieberrinde“ kam sie bei Malaria und Co. zum Einsatz.

Im 19. Jahrhundert gelang es Pharmazeuten, den Hauptwirkstoff aus der Weidenrinde zu isolieren. Sie gaben ihm den Namen Salicin, abgeleitet von der wissenschaftlichen Bezeichnung Salix. Aus Salicin ließ sich dann Salicylsäure herstellen. Weidenrindenprodukte als Schmerzmittel fanden so weite Verbreitung. Das endete mit der Synthetisierung von Acetylsalicylsäure (ASS), einem Stoff, den wir heute meist unter dem Namen Aspirin kennen. Spätestens ab dem 20. Jahrhundert ersetzte die synthetische ASS die aus Weidenrinde gewonnenen Schmerz- und Fiebermittel. Völlig bedeutungslos ist die Weide als Heilpflanze aber nie geworden.

Als Heilpflanze ist Weide auch heute noch bedeutsam

Auch wenn ihr synthetischer Nachfolger ASS heute weit häufiger Verwendung findet: Weide hat als stärkende Pflanze auch heute noch ihre Daseinsberechtigung. Das in der Rinde enthaltene Salicin liegt größtenteils in Derivat-Form vor – z. B. als Salicortin und Tremulacin. Im menschlichen Körper werden die enthaltenen Salicylate erst in der Leber zu dem wirksamen Stoff Salicylsäure umgewandelt. Den Magen passieren sie noch in ihrer Ursprungsform – und haben deshalb im Gegensatz zu ASS dort keine reizende Wirkung. Auch die für Acetylsalicylsäure typische gerinnungshemmende (Neben-)Wirkung ist bei den in Weidenrinde enthaltenen Salicylaten kaum ausgeprägt. 

Neben Salicylaten beinhaltet Weidenrinde auch noch Polyphenole und Flavonoide, die entzündungshemmende und antioxidative Eigenschaften haben. Die enthaltenen Gerbstoffe wirken zudem antimikrobiell und zusammenziehend.

Mit der Gesamtheit ihrer Inhaltsstoffe wirkt Weidenrinde entwässernd, zusammenziehend, antiseptisch, fiebersenkend, entzündungshemmend und schmerzlindernd. Sie ist zum Beispiel bei Fieber, rheumatischen Beschwerden, Gicht, Arthrose und anderweitigen Gelenkschmerzen einsetzbar. Dabei entfaltet Weidenrinde ihre Wirkung nicht so schnell wie synthetische Schmerzmittel, wirkt aber nachhaltig. 

Die Weide in der TCM

Auch die TCM kennt die Weide. Sie verwendet Rinde (Cortex Salicis) und Blatt (Folium Salicis). In der TCM gilt die Weide als kalt in der Temperatur und als leicht bitter, herb und adstringierend im Geschmack. Die Eigenschaften der Weide werden als trocknend, entzündungshemmend, fiebersenkend, antiseptisch, analgetisch, anaphrodisierend, diuretisch und hämostyptisch beschrieben. Ein Organbezug besteht zu Niere-Blase, Lunge, Leber und Herz.

Weidenrinde für Pferd, Hund und Co.

Auch für Hunde und Pferde kann Weidenrinde z. B. bei Gelenkschmerzen verwendet werden.

PWeide – das Pflanzenporträt: Weidenrinde für Pferde und Hundeferde verstoffwechseln Salicylsäure allerdings mit einer Halbwertszeit von etwa einer Stunde – sie bauen diesen Stoff damit so schnell ab, dass sich im Blut kein wirksamer Salicylsäure-Spiegel aufbauen kann. Andererseits ist der Ausgangsstoff für Salicylsäure – Salicin – nicht der einzige Wirkstoff, der in Weidenrinde steckt.

Wildlebende Pferde fressen Weidenrinde von sich aus gerne bei nasskaltem Wetter, das in die Glieder fährt und die Gelenke stresst. Mit ihrem Reichtum an Rohfaser ist Weidenrinde für Wildpferde ein typisches Winterfutter, das auch für unsere Pferde zur saisonal artgerechten Gestaltung des Speiseplans verwendet werden kann.

Wichtig: Für Katzen ist Weidenrinde leider nicht geeignet. Aufgrund ihrer Glucoronidierungsschwäche funktioniert der Abbau von Salicylsäure im Katzenkörper nur sehr eingeschränkt. Katzen sollten deshalb nie Weidenrinde gefüttert bekommen. 

Literatur – zum Nachstöbern und (Weiter-)Lesen:
R. Traversier/K. Staudinger/S. Friedrich: TCM mit westlichen Pflanzen, Stuttgart 2012.
J. Reichling u. a.: Heilpflanzenkunde für die Veterinärpraxis, Heidelberg 2008.
C. Brendieck-Worm/M. Melzig: Phytotherapie in der Tiermedizin, Stuttgart 2018.
U. Bühring: Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde, Stuttgart 2014
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/inhalt-13-2003/titel-13-2003/
https://www.sdw.de/fileadmin/Bundesverband/Bilder_Dateien/Baum_des_Jahres/1999_Baum_des_Jahres_Silberweide.pdf