Ginkgo – das Pflanzenporträt

Ginkgo – das Pflanzenporträt

Der Ginkgo, auch Ginko, wird häufig als „lebendes Fossil“ bezeichnet. Und das zu Recht. Er ist der letzte seiner – uralten – Art: den Ginkgoales. Ginkgoales sind urtümliche Pflanzen, weder Nadel- noch Laubbäume, sondern etwas ganz Eigenes. Vor 250 Millionen Jahren bevölkerten sie die damaligen Kontinente und bildeten ausgedehnte Wälder. In der Kreidezeit starben die meisten Vertreter der Ginkgoales aus. Heute ist nur noch Ginkgo biloba übriggeblieben: Ein Relikt, alt wie die Zeit selbst.

Die meisten Ginkgo-Bäume, die heute noch stehen, wurden irgendwann von Menschen gepflanzt. Bekannte Wildbestände finden sich heute nur im Südwesten Chinas, wo wilde Ginkgobäume an den Hängen des Bergmassivs Jinfoshan wachsen.

Ginkgo biloba – der Steckbrief

  • Klasse: Ginkgopflanzen (Ginkgoopsida)
  • Ordnung: Ginkgoales
  • Familie: Ginkgogewächse
  • Sommergrüner, laubabwerfender Baum
  • Wuchshöhe bis 40 Meter und mehr
  • Brusthöhendurchmesser bis zu vier Meter und mehr
  • Lebenserwartung bis zu 1000 Jahre und älter
  • Zweihäusig getrenntgeschlechtlich: Es gibt rein weibliche und rein männliche Exemplare
  • Geschlechtsreife im Alter von 20 bis 35 Jahren

Der Ginkgobaum ist ein Überlebenskünstler

In seinen jungen Jahren wächst der Ginkgo schlank und hoch empor. Im Alter wird er dick und kann eine mächtige Krone ausbilden. In China und Japan galt der Ginkgo schon früh als besonderer Baum, auch wegen seiner Langlebigkeit und seiner Widerstandskraft, die einzelne Exemplare Brände, Stürme und andere Katastrophen überstehen ließ. Auch Krankheiten, Bakterien und Pilze können dem Ginkgo wenig anhaben.

Ein Baum in Hiroshima wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem besonderen Symbol der Hoffnung: Als Tempelbaum stand er ungefähr einen Kilometer vom Einschlagsort der Atombombe entfernt. Der Tempel selbst wurde von der Bombe völlig zerstört – der Baum überlebte und schlug wieder aus.

In China ist der Ginkgo ein heiliger Baum

Als Bepflanzung buddhistischer Tempelanlagen fand der Ginkgo schon vor tausend Jahren weite Verbreitung. Mit seinem geteilten Blatt und seiner Zweihäusigkeit wurde er Symbol für die Zweiheit von Yin und Yang, Männlichem und Weiblichem, Leben und Tod.

Auch wegen ihrer Samen wurden Ginkgobäume kultiviert. Die sogenannten Ginkgonüsse waren schon im Mittelalter eine Delikatesse und wichtiger Bestandteil chinesischer Esskultur. In China waren Samen und Blätter sogar längere Zeit ein Zahlungsmittel. Die Samen werden noch heute geröstet serviert, zum Beispiel als Glücksbringer auf Hochzeiten. Ihr Geschmack wird als Mischung aus Pistazie, Kartoffel und Esskastanie beschrieben.

Heute werden Ginkgo-Bäume oft in Städten gepflanzt

In jetziger Zeit ist der Ginkgo-Baum eine beliebte Straßenbepflanzung, auch weil er widerstandsfähig gegen Abgase und Luftverschmutzung ist. Während aber in den alten Tempelbepflanzungen weibliche und männliche Ginkgobäume nebeneinander stehen, versucht man, für Straßen vor allem männliche Bäume auszuwählen. Das ist nicht ganz einfach, da in jungen Jahren das Geschlecht von Ginkgos schwer zu erkennen ist. Die Bevorzugung männlicher Exemplare im Stadtgebiet liegt daran, dass die Früchte weiblicher Ginkgos nichts für empfindliche Nasen sind: Das Fruchtfleisch riecht nämlich intensiv nach Erbrochenem.

Der Name „Ginkgo“ ist eigentlich ein Fehler

Der Name Ginkgo oder Ginko, in frühen Zeiten auch Gingo, leitet sich von der japanischen Aussprache des chinesischen Namens – gin-kyo – ab. Er bedeutet soviel wie „Silberaprikose“ und deutet auf die silbrig schimmernden Früchte des Ginkgobaums hin, die wie lang gestielte Mirabellen aussehen.

Dass der Ginkgo bei uns Ginko und nicht Ginkjo heißt, ist einem Schreibfehler zu verdanken, den ein deutscher Japanforscher bei der ersten Beschreibung des Baums machte. Engelbert Kaempfer bereiste in den Jahren 1690 und 1691 Japan und erforschte die dortige Pflanzenwelt. Im Jahr 1712 veröffentlichte er seine Forschungsergebnisse – auch die Beschreibung des Ginkgos. Bei der Übersetzung des Namens machte Kaempfer einen Schreibfehler – der ist bis heute erhalten geblieben.

Der Namenszusatz „biloba“ weist auf die Zweilappigkeit der Blätter hin. Neben seiner botanischen Bezeichnung hat der Ginkgo noch eine Reihe volkstümlicher Namen, wie Mädchenhaarbaum, Entenfußbaum oder Großvater-Enkel-Baum.

In Europa entdeckte Goethe den Ginkgo für sich

Nach Europa gelangte der Ginkgo in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Niederländische Seefahrer brachten ihn aus Japan mit, und mit seiner besonderen Blattform kam der Baum bei Fürsten und reichen Bürgern recht schnell als Schmuck für den Garten in Mode.

Das älteste Exemplar in Deutschland ist heute wohl der Ginkgo in Rödelheim, der um 1750 gepflanzt wurde – neben einem Haus, in welchem 1814 Goethe zu Gast bei der Familie Brentano weilte. Goethe war fasziniert von der doppeltgefächerten Form des Ginkgoblatts. Im Folgejahr schrieb er sein bekanntes Gedicht Ginkgo biloba, eventuell inspiriert durch den brentano’schen Ginkgobaum:

Dieses Baums Blatt, der von Osten Meinem Garten anvertraut,
Gibt geheimen Sinn zu kosten, Wie's den Wissenden erbaut.

Ist es ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt? Sind es zwei, die sich erlesen, Dass man sie als eines kennt?

Solche Fragen zu erwidern
Fand ich wohl den rechten Sinn. Fühlst du nicht an meinen Liedern, Dass ich eins und doppelt bin?

Im selben Jahr ließ Goethe einen Ginkgo am Fürstenhaus in Weimar pflanzen – auch dieser „Goethe-Ginkgo“ lebt bis heute und hat den Status eines Naturdenkmals.

Ginkgo wird seit 5000 Jahren medizinisch verwendet

Die Geschichte des Ginkgos als Heilpflanze ist in China tausende von Jahre alt. Seine Verwendung wurde bereits in dem Handbuch der Barfuss-Medizin beschrieben, eine medizinische Schriftsammlung, die etwa 2800 vor Christus entstand.

Baumrinde und Blätter fanden in der frühen chinesischen und japanischen Medizin Verwendung – vor allem aber die Samen, zerrieben oder als Abkochung. In der alten chinesischen Volksmedizin kam Ginkgo zum Beispiel bei Beschwerden der Atemwege und der Verdauung, bei Nervosität und Ohrensausen bzw. Tinnitus zum Einsatz, aber auch als Aphrodisiakum.

Heute werden vor allem die getrockneten Blätter des Ginkgos verwendet. In der traditionellen chinesischen Medizin gelten Ginkgoblätter als neutral in der Temperatur und als bitter und leicht süß im Geschmack. Sie haben trocknende, blutbewegende Eigenschaften und einen besonderen Bezug zu Herz, Kreislauf und Lunge (Haut).

Ginkgo in heutiger Zeit: Inhaltsstoffe, Wirkung, Verwendung

Ginkgoblätter enthalten Flavonolglykoside, Biflavone, Proanthocyanide, Polyphenole, Ginkgolide, Bilobalid und Ginkgolsäuren.

Mit seinen Inhaltsstoffen wirkt Ginkgo blutgerinnungshemmend und durchblutungsfördernd – vor allem dort, wo die Mikrozirkulation umliegende Gewebe mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt.

Zusätzlich wirkt Ginkgo neuroprotektiv, das heißt, seine Wirkstoffe schützen die Nervenzellen im Gehirn und im Körper. Ginkgo verbessert dabei auch die Signalübertragung im Hirn und mindert altersbedingte Störungen der Vernetzung von Gehirnzellen. Ginkgo ist zur Behandlung von Durchblutungsstörungen und bei Gefäßerkrankungen geeignet, vor allem aber auch bei Hirnleistungsstörungen wie Demenz.

Mehrere Studien haben etwa gezeigt, dass Ginkgo-Extrakte bei alten Hunden zu einer Milderung geistiger Beeinträchtigung beitragen können (1). Für alte Tiere kann Ginkgo gut mit z. B. Weißdorn und Hagebutte kombiniert werden. Allerdings vertragen nicht alle Vierbeiner Ginkgoblätter gleich gut: Die enthaltene Ginkgolsäure kann Nebenwirkungen verursachen, Allergien hervorrufen und die Magenschleimhaut reizen. Für Menschen ist Ginkgo als Tee darum eher nicht empfehlenswert.

Literatur – zum Nachlesen und Weiterstöbern

R. Traversier/K. Staudinger/S. Friedrich: TCM mit westlichen Pflanzen, Stuttgart 2012.
C. Brendieck-Worm/M. Melzig: Phytotherapie in der Tiermedizin, Stuttgart 2018.
U. Bühring: Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde, Stuttgart 2014.
http://www.ginkgomuseum.de/ https://www.abendblatt.de/ratgeber/wissen/umwelt/article107381642/Die-geheimnisvolle-Botsch aft-der-heiligen-Baeume.html https://www.uni-goettingen.de/de/volksmedizin+und+mythologie/11036.html https://herbaria.plants.ox.ac.uk/bol/plants400/Profiles/GH/Ginkgo https://www.nytimes.com/2015/11/01/nyregion/the-female-ginkgo-trees-acrid-smell-of-success.html

https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2019/12/18/ginkgo

(1) H. Dobson, B. Milgram, E. Schramm, E. Koch: The Ginkgo biloba special extract EGb 761® improves behavioral activity and cerebral blood flow in aged Beagle dogs with mild cognitive dysfunction, Planta Med 2013; 79 - PL20.

J. A. Araujo, G. M. Landsberg, N. W. Milgram, A. Miolo: Improvement of short-term memory performance in aged beagles by a nutraceutical supplement containing phosphatidylserine, Ginkgo biloba, vitamin E, and pyridoxine. Can Vet J. 2008 Apr;49(4): 379-85.

J. Reichling, M. Frater-Schröder, K. Herzog et. al.: Dietary support with ginkgo leaf in canine geriatric conditions, Schweiz Arch Tierheilk 2006; 148: 257–63.