Wie schläft eigentlich ein Pferd? Der Schlaf der Pferde ist ganz schön geheimnisvoll – und dabei richtig wichtig für das Wohlbefinden Deines Pferdes. Hier erfährst Du alles für einen gesunden Schlaf Deines Pferdes: Wie sie schlafen, was passiert, wenn sie nicht schlafen können und was Du für Dein Pferd tun kannst, dass es erholsamer schläft.
Wie schläft ein Pferd?
Pferde schlafen mehrmals am Tag – meist für jeweils fünf bis zwanzig Minuten. Der Grund für den Schlaf in Etappen liegt in der Natur des Pferdes als Flucht- und Beutetier: Eine lange Tiefschlafperiode könnte gefährlich werden. Wie lange ein einzelnes Schläfchen wirklich dauert, ist von Pferd zu Pferd unterschiedlich. Pro Tag verbringen erwachsene Pferde zusammengerechnet etwa fünf bis sieben Stunden mit Schlafen und Dösen – also weniger als wir Menschen.
Der Schlafrhythmus eines Pferdes wird von seiner Herde beeinflusst, aber auch von individuellen Faktoren wie Alter und Geschlecht sowie Rangstellung in der Herde. Auch Jahreszeit, Wetter und Nahrungsangebote haben Einfluss auf das Schlafverhalten von Pferden – und natürlich wir Menschen: Mit unserer Art, Pferde zu halten und mit ihnen zu arbeiten, beeinflussen wir den Schlafrhythmus unserer Vierbeiner.
Wann schlafen Pferde am liebsten?
Die größte Mütze Schlaf holen sich die meisten Pferde in der Nacht – viele schlafen in der Zeit von Mitternacht bis zum frühen Morgen über drei Stunden. Tagsüber legen Pferde gern um die Mittagszeit eine Schlafpause ein.
Schlaf ist nicht gleich Schlaf
Wie bei uns Menschen lässt sich der Schlaf von Pferden in unterschiedliche Phasen einteilen: Leichtschlafphase, Tiefschlafphase und REM-Phase, auch Traumschlaf genannt.
Die Leichtschlafphase findet größtenteils beim Einschlafen statt. Sie nimmt etwa 40 Minuten der Gesamtschlafzeit ein. Das Pferd schläft noch nicht fest, erholt sich jedoch schon.
Der Tiefschlaf wird auch SWS-Schlaf genannt – diese Abkürzung steht für slow-wave-sleep. Im Tiefschlaf sind Atem- und Herzfrequenz verlangsamt und das Gehirn ist inaktiv. Die Tiefschlafphase dauert mit etwa 130 Minuten pro Tag am längsten von allen Phasen.
Während der REM-Phase träumt das Pferd. Das Gehirn ist während des REM-Schlafs sehr aktiv, die Muskeln sind entspannt. Die Bezeichnung REM ist eine Abkürzung für „rapid eye movement“: Unter den geschlossenen Lidern bewegen sich die Augen während dieser Phase sehr schnell. Diese Phase sollte zusammengerechnet mindestens 30 bis 40 Minuten der Gesamtschlafzeit dauern.
Schlaf ist eine soziale Handlung
Dösen und Schlafen tun Pferde im Sozialverband. Gemeinsames Dösen stärkt die soziale Bindung und bezeugt bei befreundeten Pferden das Vertrauen zueinander. Das Schlafen in der Gruppe schenkt zudem Sicherheit – denn es ruhen nie alle Pferde gleichzeitig: Gerade bei wilden Herden bleibt mindestens ein zuverlässiges Wächtertier wach und sorgt dafür, dass der Schlaf der anderen gefahrlos ist. Der Wachdienst wird immer mal ausgewechselt – allerdings müssen ihn rangniedrige Pferde länger verrichten als ranghohe. Dieses Verhalten kann auch bei Hauspferden beobachtet werden, gerade wenn sie naturnah und in größeren Gruppen gehalten werden.
Können Pferde im Stehen schlafen?
Grundsätzlich können Pferde im Stehen dösen und schlafen. Möglich wird das durch eine anatomische Besonderheit der Hintergliedmaße – die sogenannte Spannsägenkonstruktion.
Die Spannsägenkonstruktion sorgt dafür, dass das Kniegelenk in Ruhestellung keine Haltearbeit verrichten muss: Durch das Zusammenspiel bandartiger Muskeln verlagert sich die Kniescheibe bei starker Streckung des Gelenks aus dem Kniegelenk, rutscht auf den Oberschenkelknochen und hakt sich hinter dessen Rollkamm. Mit der festgehakten Kniescheibe ist das Kniegelenk in Streckstellung fixiert – bis der Fixierungsmechanismus vom Pferd wieder gelöst wird, bleibt es ohne Muskelkraft in dieser Stellung. Durch sehnige Stränge werden zugleich das Sprunggelenk und die Zehengelenke in ihrer Stellung fixiert. In der Hintergliedmaße muss nur das Hüftgelenk während des Ruhens durch Muskelkraft in Stellung gehalten werden.
Weil die Muskeln ermüden, verlagern dösende Pferde etwa alle zehn Minuten ihr Körpergewicht von einem Hinterbein auf das andere. Im Stand sind bei Pferden sowohl Leicht- als auch Tiefschlafphasen möglich. Meist finden diese Schlafphasen teilweise im Stehen, teilweise im Liegen statt.
Für REM-Schlafphasen muss das Pferd liegen
Für REM-Schlafphasen müssen Pferde sich ablegen. Sie legen sich flach auf die Seite und strecken den Hals aus. So können sie maximal entspannen. Während der REM-Schlafphase entspannen sich die Muskeln nahezu vollständig – das ist für die Erholung des Körpers essenziell. Auch für die Regeneration der Nerven ist die REM-Schlafphase von großer Bedeutung – und damit auch für Lern- und Erinnerungsprozesse.
Was brauchen Pferde für einen gesunden Schlaf?
Verschiedene Faktoren tragen dazu bei, dass Pferde entspannt schlafen können.
Dazu gehört die Herdenstruktur, die für das individuelle Pferd passen muss. Für einen gesunden Schlaf der einzelnen Herdenmitglieder sollte es möglichst wenig Zankerei und Stress in der Herde geben – dafür sorgen unter anderem ausreichend Platz und mehrere Futterplätze. Rangniedrige Pferde sollten von anderen Mitgliedern der Gruppe nicht ständig geschickt werden, ranghohe Pferde sollten ihre Verantwortung auch mal abgeben können.
Außerdem wichtig: Eine bequeme Liegefläche, die groß genug für alle Gruppenmitglieder ist, nicht in einer engen Sackgasse liegt und auch von rangniedrigen Pferden genutzt werden kann. Sie sollte wind- und regengeschützt sein. Für jedes Pferd muss zudem gewährleistet sein, dass es sich problemlos ablegen und aufstehen kann – zum Beispiel durch regelmäßiges Training zum Muskelerhalt bei alten Pferden, oder gegebenenfalls einem passenden Schmerzmanagement.
Pseudonarkolepsie: Wenn Pferde sich nicht zum Schlafen hinlegen
Manchmal können oder mögen sich Pferde zum Schlafen nicht hinlegen. Das kann verschiedene Gründe haben – unter anderem:
- das Fehlen von zum Ablegen geeigneten Untergründen
- zu kleine Box / zu kleine Liegefläche
- Behinderung durch eine Decke
- Stress durch das Umfeld, z. B. durch häufige Stallwechsel
- Stress in der Herde für rangniedrige Pferde
- Stress durch übersteigertes Verantwortungsgefühl für ranghohe Pferde
- Stress durch fehlende Sozialkontakte
- Juckreiz, z. B. durch Sommerekzem
- Magengeschwüre
- Atemprobleme, wie z. B. RAO (Recurrent Airway Obstruction): das Liegen behindert zusätzlich das Atmen
- Arthrose oder anderweitig chronische Schmerzen und wenig Muskelkraft bei alten Pferden, die Probleme beim Ablegen und Aufstehen verursachen
Was passiert, wenn Pferde nicht im Liegen schlafen können?
Können Pferde nicht im Liegen schlafen, finden auch kein REM-Schlaf statt. Für den Pferdekörper ist der REM-Schlaf jedoch eine unverzichtbare Erholung, die dafür sorgt, dass sich Muskeln und Nerven einmal völlig entspannen und ausruhen können. Sind Pferde nicht dazu in der Lage, sich zum Schlafen abzulegen, kann das zum ernsten Problem werden.
Pferde, die längerfristig nicht liegen können, zeigen oft Symptome eines REM-Schlafmangels: Sie haben Mini-Zusammenbrüche. Die Beine knicken ein und der Körper fällt Richtung Boden. Das Pferd muss sich dann wieder fangen und aufrappeln. Die Symptomatik ist dem Krankheitsbild von Narkolepsie sehr ähnlich – es handelt sich dabei jedoch nicht um eine Krankheit, sondern eher um eine oft umweltbedingte Verhaltensstörung mit Erschöpfung als Symptom.
Viele Pferdebesitzer kennen dieses Phänomen unter der Bezeichnung Pseudo-Narkolepsie, Tierärzte sprechen von einem REM-Schlafmangel mit atonischen Kollapsen: Der Zusammenbruch geschieht, weil für einen Moment die Körperspannung verschwindet.
Betroffene Pferde kollabieren oft dann, wenn für die Artgenossen REM-Schlafenszeit ist – zum Beispiel nachts oder in den frühen Morgenstunden. In dieser Zeit stehen Pferde meist nicht unter Beobachtung. Darum ist es oft gar nicht so einfach, mit Sicherheit festzustellen, ob ein Pferd von atonischen Kollapsen betroffen ist. Neben dem eigentlichen Kollabieren gibt es aber noch eine Reihe von weiteren Anzeichen, die bei einem Pferd auf Pseudonarkolepsie hinweisen können.
Folgende Merkmale könnten auf einen REM-Schlafmangel hindeuten:
- Das Pferd wird nie liegend gesehen
- Das Pferd zeigt direkt atonische Kollapse: Es döst mit gesenktem Kopf, knickt dann mit den Vorderbeinen ein und sackt evtl. zu Boden. Dies passiert vor allem, wenn auch die restliche Herde am Ruhen/Schlafen ist
- Das Pferd zeigt Verletzungen (z. B. Aufschürfungen) vor allem an den Vorderbeinen, im Bereich der Fessel- und Karpalgelenke oder am Kopf
- Das Pferd lehnt sich beim Dösen im Stehen an, z. B. an der Stallwand, oder stützt den Kopf auf
- Schwanken, Muskelzittern, Schwäche
- Verhaltensänderungen: Ständige Müdigkeit, Apathie, Gereiztheit, Nervosität
- Das Pferd zeigt öfter einen unkoordinierten Gang
- Das Pferd legt sich wiederholt fest
Um das Pferd bei atonischen Kollapsen zu erwischen, kann eine Videoüberwachung des Ruhebereichs im Stall hilfreich sein. Die genannten Anzeichen müssen nicht zwangsläufig ein Zeichen für REM-Schlafmangel sein, sondern können auch auf andere Probleme hindeuten – zum Beispiel Vergiftungen oder eine Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems, des Nervensystems oder des Bewegungsapparats. Die Diagnose REM-Schlafmangel sollte deshalb immer von einem Tierarzt abgeklärt werden. Grundsätzlich sind Warm- und Vollblüter häufiger von einem REM-Schlafmangel betroffen als Robustpferderassen. Ältere Pferde und Pferde mit körperlichen Einschränkungen sind häufiger betroffen als gesunde Jungpferde.
Wie kann ich meinem Pferd bei Pseudonarkolepsie helfen?
Pseudonarkolepsie schränkt die Lebensqualität betroffener Pferde deutlich ein. Eine Therapie ist aber nicht immer einfach. Sie richtet sich nach dem Auslöser des Schlafmangels und ist dementsprechend für jedes Pferd individuell. Je nach Fall können folgende Maßnahmen bei REM-Schlafmangel zur Behandlung hilfreich sein:
- Überprüfung der Herdenstruktur, gegebenenfalls Wechsel in eine andere, geeignetere Gruppe bzw. Umstrukturierung der vorhandenen Gruppe
- Ggf. ohne überdominante und aggressive Herdenmitglieder
- Ggf. mit souveränen Begleitpferden als Orientierungshilfe für nervöse Pferde
- Ggf. mit souveränen Herdenmitgliedern, die (Mit-)verantwortung übernehmen
- Ggf. mit mehr oder weniger Herdenmitgliedern, je nach individuellen Bedürfnissen des Pferdes
- Überprüfung der Liegefläche, ggf. Anpassung der Größe und der verwendeten Einstreu für einen weichen, verformbaren Untergrund
- Ankommen lassen, Zeit für eine echte Herdenintegration geben und den Stall nicht mehr so häufig wechseln
- Ggf. Behandlung von Juckreiz, Magenproblemen, Schmerzen und Gelenkproblemen
- Ggf. Behandlung von Nervosität, Stärkung des Selbstbewusstseins beim Pferd
Kräuter bei Schlafmangel
Für Pferde mit REM-Schlafmangel ist es wichtig, dass die Faktoren in Haltung und Umgang, die für den Schlafmangel verantwortlich sind, langfristig beseitigt werden. Begleitend können zudem Kräuter Sinn machen – doch auch diese sollten in ihrer Auswahl auf die zugrundeliegenden Problematiken zugeschnitten sein. Damit Du die Schlaflosigkeit Deines Pferdes behandeln kannst, müssen also in jedem Fall die Ursachen klar sein.
Bei einer zugrundeliegenden Nervosität bzw. Stress im Lebensalltag des Pferdes können zum Beispiel nervenstärkende Kräuter wie Hopfen, Lavendel und Melisse gefüttert werden, bei Arthrose Kräuter für die Gelenke und bei Magenproblemen pflanzliche Magenschmeichler wie Kamille oder Eibischwurzel.
Wichtig dabei: Andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen wie Pseudonarkolepsie sollten vom Tierarzt ausgeschlossen worden sein.
Kurz und knapp – 5 Fragen, 5 Antworten zum Schlaf der Pferde
Wie lange schlafen Pferde?
Wie lange Pferde schlafen, ist individuell. Im Schnitt schlafen Pferde fünf bis sieben Stunden am Tag – Fohlen schlafen wesentlich länger. Auch alte Pferde können einen höheren Schlafbedarf haben.
Schlafen Pferde mit offenen Augen?
Im Leichtschlaf schließen Pferde ihre Augen manchmal nur halb. Wach aussehen tun sie dann aber trotzdem nicht ☺ Auch im Tiefschlaf können die Augen ein wenig geöffnet sein. Im REM-Schlaf sind die Augen geschlossen.
Warum legen sich Pferde nicht hin?
Ablegen ist für Pferde ein ziemlicher Kraftakt. Außerdem müssen sie sich dazu sicher fühlen. Wenn ein Pferd sich zum Schlafen nicht hinlegen mag, kann dies unterschiedliche Gründe haben: Insbesondere Schmerzen beim Ablegen und Aufstehen, Stress in der Herde oder Mangel an einem bequemen Untergrund.
Was ist Pseudonarkolepsie beim Pferd?
Pseudonarkolepsie hat nichts mit der echten Narkolepsie zu tun – obwohl sie sich ähnlich zeigt. Bei Pseudonarkolepsie leidet das Pferd an REM-Schlafmangel – Nerven und Muskeln fehlt es an Erholungsphasen. Aus Übermüdung knickt das Pferd immer wieder ein und muss sich fangen, hat eventuell Verletzungen an den Karpalgelenken, wirkt matt oder sehr nervös. Im Gegensatz zu echter Narkolepsie ist Pseudonarkolepsie keine körperliche Erkrankung, sondern ein Erschöpfungszustand.
Wie schläft mein Pferd besser?
Damit Dein Pferd besser schläft, solltest Du die Probleme beheben, die es am Schlafen hindern – die sind manchmal gar nicht so leicht zu benennen. Für einen gesunden Schlaf braucht es neben einem bequemen Bett vor allem ein hohes Sicherheitsgefühl – dazu muss die Herde friedfertig und verantwortungsbewusst sein. Daneben spielen auch ganz banale Faktoren eine Rolle, wie für uns Menschen auch: Ruhe und Dunkelheit tragen zu einem guten Schlaf bei. Wenn Du spät abends im Stall bist und Dein Pferd nicht stören möchtest, solltest Du deshalb das Flutlicht lieber auslassen – und zum Musikhören Kopfhörer hernehmen.
Literatur – zum Nachlesen und weiter stöbern
Fuchs, Christine (2017): Narkolepsie oder REM-Schlafmangel?: 24-Stunden-Überwachung und polysomnographische Messungen bei adulten „narkoleptischen“ Pferden. Dissertation, LMU München: Tierärztliche Fakultät.
Fader, Claudia (2002): Ausscheide- und Ruheverhalten von Pferden in Offenlaufstall- und Boxenhaltung. Dissertation, Fakultät Wissenschaftszentrum Weihenstephan.
Greening L, McBride S. A Review of Equine Sleep: Implications for Equine Welfare. Front Vet Sci. 2022 Aug 17;9:916737. doi: 10.3389/fvets.2022.916737. PMID: 36061116; PMCID: PMC9428463.
https://www.tierspital.uzh.ch/de/Pferde/Pferdemedizin/Dienstleistungen/Nervensystem/0-Narkolepsie-Sleep-deprivation.html
https://www.reiterrevue.de/ausbildung-und-praxis/gesundheit/aufgedeckt-so-schlafen-pferde-9639701.html
https://www.propferd.at/main.asp?VID=1&kat1=96&kat2=643&NID=4994