Echte Kamille – das Pflanzenporträt

Echte Kamille – das Pflanzenporträt

Zierlich, hübsch, aber nicht sehr imposant – das ist die Kamille auf den ersten Blick. Dabei ist die echte Kamille in vielerlei Hinsicht ein Kraut der Superlative. Ihre Geschichte als vom Menschen genutztes Heil- und Kultkraut reicht bis in früheste Zeiten zurück – und ist noch lange nicht beendet: Die Kamille zählt heute zu den beliebtesten und vielseitigsten Heilpflanzen für Zwei- und Vierbeiner. 

Steckbrief: Die echte Kamille in Kürze

Die Kamille Blüte ist einfach zu erkennen ©karandaev
  • Botanische Namen: Matricaria chamomilla, Matricaria recutita, Chamomilla recutita
  • Systematik: 
    • Ordnung: Asternartige (Asterales)
    • Familie: Korbblütler (Asteraceae)
    • Unterfamilie: Asteroideae
    • Gattung: Kamillen
  • Vegetative Merkmale: einjährige, krautige Pflanze, Wuchshöhe 15 bis 50 cm
  • Blütezeit: Mai bis Juli
  • Blüten: weiß mit gelben Blütenkörbchen
  • Blätter: zart, schmal und saftig grün, zwei- bis dreifach gefiedert

 

Verbreitung der Kamille

Die ursprüngliche Heimat der Kamille liegt in Vorderasien sowie Süd- und Osteuropa. Von dort aus hat sie sich nach ganz Europa, Amerika und Australien verbreitet und wächst heute überall dort, wo sie gute Bedingungen findet: Sie mag es sonnig-warm und bevorzugt eher durchlässige, lehmig-sandige Böden. Insgesamt ist die Kamille aber nicht wählerisch und wächst im Gebirge wie im Flachland, auf Wiesen und Äckern, am Feldrain, auf Brachflächen und Schuttplätzen. Allerdings ist die Kamille bei uns seltener geworden: Durch den Einsatz von Herbiziden fühlt sie sich in Getreidefeldern und auf Feldfluren nicht mehr so wohl. Dabei ist die Kamille ökologisch wertvoll und eine gute Nahrungsquelle für Schmetterlinge, Wildbienen und andere Insekten.

Matricaria, Chamomilla: Ein Frauenkraut mit Apfelduft

Wissenschaftliche Namen hat die Kamille so einige: Matricaria chamomilla, Matricaria recutita oder auch Chamomilla recutita. Der Gattungsname Matricaria gründet sich auf die lange Geschichte der Kamillen als Frauenpflanzen: Er leitet sich von der lateinischen Bezeichnung Matrix für Gebärmutter her. Schon im Mittelalter waren die Kamillen geschätzte Begleiter bei Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett.

Der deutsche Name Kamille kommt vom lateinischen chamomilla – das wiederum ist von der griechischen Bezeichnung chamaímêlon abgeleitet. Chamaímêlon setzt sich aus chamai (auf der Erde, niedrig) und mélon (Apfel) zusammen. Ursprünglich wurde die Kamille also in etwa „Erdapfel“ genannt – wegen ihres niederen Wuchses und ihres apfelartigen Geruchs. 

Kamille wird schon seit langer Zeit als Tee genossen Kamille wird schon seit langer Zeit als Tee genossen ©StiahailoAnastasiia

Echte Kamille – ein Kultkraut mit Geschichte 

Die Kamille begleitet den Menschen schon seit tausenden von Jahren. Im alten Ägypten war die kleine Blume hochgeschätzt: Aufgrund ihrer Blüte – ein leuchtender Strahlenkranz von Zungenblüten um einen gelben Blütenkopf – wurde die Kamille dem Sonnengott Ra zugerechnet. In Altengland war die Kamille eine der neun heiligen Pflanzen und Teil des Neunkräuterzaubers. Auch die Germanen verehrten die Kamille als Pflanze ihres Lichtgottes Balder. Sie zählte zu den Sonnwendkräutern, die seit alters her zur Sommersonnenwende gesammelt wurden. Mit Einzug des Christentums wanderte der alte Brauch des Kräutersammelns zu christlichen Sommerfesten über, und damit auch die Kamille: Zu Mariä Himmelfahrt wird sie heute noch in manchen Regionen für das sogenannte Würzbüschel gepflückt und in der Kräuterweihe vom Priester gesegnet. Zusammen mit den anderen Kräutern des Würzbüschels soll sie Segen spenden und dunkle Mächte abwehren. Am Johannistag wird in manchen Landstrichen ein Kranz aus Kamille an die Haustür gehängt – das soll Blitzschlag und anderes Unheil vom Haus und seinen Bewohnern fern halten. 

Eine alte, neue Heilpflanze 

In der Heilkunde für Mensch und Tier ist die Kamille so etwas wie ein Dauerbrenner. Verwendet und geschätzt wurde sie wahrscheinlich schon im 5. Jahrhundert vor Christus – von Hippokrates. Der griechische Kräuterkenner Dioskurides lobte im 1. Jahrhundert nach Christus die Wirksamkeit der Kamille, etwa bei der Geburtshilfe, bei Blähungen und bei Blasenentzündung. Er empfahl Umschläge und Kamillenbäder. Später fand die Kamille Eingang in die europäischen Klostergärten und Kräuterbücher. Dort wurde sie vor allem zur äußerlichen Anwendung bei Hauterkrankungen empfohlen. Auch in den Büchern frühneuzeitlicher Rosstierärzte ist die kleine Blume zu finden – als Kraut zur Stärkung von Magen und Darm, bei Kolik und bei Aufgasung. 

Kamille heute: Inhaltsstoffe und Wirkung 

Kein Wunder, dass die Kamille schon früh als machtvolles Kraut verehrt wurde – denn in ihr steckt ein ganzer Schatz an natürlichen Stoffen, die die Kamille noch heute zu einer wichtigen und vielseitigen Heilpflanze machen. Inzwischen ist die Kamille mit ihren Eigenschaften und Inhaltsstoffen gut erforscht. Am kostbarsten sind ihre Blütenköpfe: Sie enthalten viel ätherisches Öl, außerdem Flavonoide und Schleimstoffe, die eine reizmildernde und einhüllende Wirkung auf Haut und Schleimhäute haben. Kamille wirkt entzündungshemmend, antimikrobiell, krampflösend und ulkusprotektiv.

Kamille enthält viel Ätherisches Öl! ©stopabox

Bestandteile des ätherischen Kamillenöls sorgen für eine Hemmung von am Entzündungsvorgang beteiligten Enzymen. Der Inhaltsstoff Alpha-Bisabolol hemmt zudem im Magen die Ausschüttung des eiweißzersetzenden Enzyms Pepsin – das beugt Magengeschwüren vor. Mit diesen Eigenschaften ist Kamille das passende Kraut für Verdauungsbeschwerden wie Magenschmerzen und Blähbauch.
Kamille unterstützt auch die Wundheilung und kann bei entzündlichen Hauterkrankungen wie Ekzemen zum Einsatz kommen, z. B. als Kamillenbad oder als Teeumschlag. Kamillentee eignet sich als Mundspülung bei Zahnfleischentzündung und ist eine tolle Unterstützung bei Halsschmerzen und gereizten oberen Atemwegen.
Aber damit nicht genug – Kamille ist auch ein echtes Anti-Stress-Kraut. Sie wirkt angstlösend, entspannend und unterstützt das Einschlafen. Als Heilkraut ist Kamille also ein richtiger Tausendsassa, der für Mensch, Hund und Pferd vielseitig zum Einsatz kommen kann. 

Kamille in der TCM 

Die TCM kennt Matricaria chamomilla als Pflanze mit vielen Talenten. In der Temperatur ist Kamille leicht warm, der Geschmack ist süß, bitter und leicht scharf. Kamille wird in der TCM als trocknend, spasmolytisch, schmerzstillend, harmonisierend, tonisierend und heilend beschrieben. Ein besonderer Organbezug besteht zu Lunge-Dickdarm sowie Mittlerem und unterem Erwärmer. Kamille gilt in der TCM vornehmlich als Pflanze des Weiblichen. Mit ihren entspannenden und harmonisierenden Eigenschaften ist sie die passende Begleiterin für Beschwerden, die infolge hormoneller Dysbalancen auftreten. Zugleich ist Kamille eine ausgleichende, beruhigende und tröstende Pflanze für das Gemüt. Kamille steht dem Element Erde nahe, vor allem aber dem Element Metall und damit der Haut. Mit ihren schmerzstillenden und entzündungshemmenden Eigenschaften stärkt sie Haut und Schleimhäute. 

Für Katzen ist Kamille eher nicht geeignet 

Katzen dürfen KEINE Kamille essen! ©Chalabala

Ihr hoher Gehalt an ätherischem Öl macht Kamille als Heilpflanze besonders wertvoll – gleichzeitig aber leider auch ungeeignet für Katzen. Ätherische Öle sind Stoffgemische, die Stoffe wie Phenole und bestimmte Terpene enthalten. Katzen fehlt ein Enzym, das zum schnellen Abbau dieser Stoffe benötigt wird – das macht sie giftig für den Katzenkörper. Kamillenöl zählt zwar zu den ätherischen Ölen, die für Katzen weniger giftig sind. Geeignet ist Kamille für unsere Stubentiger trotzdem nicht. 

Kamille selber sammeln 

Früher war Kamille zuverlässig auf Feld und Wiese anzutreffen – jetzt ist sie nicht mehr ganz so häufig. Mit etwas Glück ist die Kamille aber noch in Mengen zu finden. Beim Sammeln sollten Sie darauf achten, nicht an stark befahrenen Straßen oder in der Nähe von pestizidbehandelten Feldern zu pflücken. Der beste Erntezeitpunkt ist genau die Zeit, zu der die Kamille schon vor 

Jahrtausenden gesammelt wurde – nämlich der Hochsommer, wenn die leuchtenden Strahlenkränze der Blüten sich gerade ganz geöffnet haben. 

Echte Kamille erkennen 

Neben der echten Kamille sind noch andere Kamillenarten in Deutschland anzutreffen. Teilweise erkennt man den Unterschied auf einen Blick; manche Arten wie die Hundskamille und die geruchlose Kamille sind der echten Kamille aber sehr ähnlich. Gerade die Hundskamille löst vermehrt allergische Reaktionen aus, was eine Verwechslung unangenehm machen kann. 

Die echte Kamille ist an ihrem aromatischen Kamillengeruch zu erkennen – besonders stark ist der, wenn man einige Pflanzenteile zwischen den Fingern zerreibt. Andere Kamillen riechen nur schwach oder gar nicht. Manche haben sogar einen ganz anderen, unangenehmen Geruch. Eine weitere Möglichkeit zum Erkennen echter Kamille ist es, sich das Innere eines Blütenkopfs anzusehen – dafür kann man einen Blütenkopf mit den Fingernägeln halbieren. Der Blütenboden der echten Kamille ist im Innern hohl. Bei anderen Kamillen wie der geruchlosen Kamille und der Hundskamille ist der Blütenboden im Inneren markig gefüllt. 

Literatur – zum Nachstöbern und (Weiter-)Lesen: 

R. Traversier/K. Staudinger/S. Friedrich: TCM mit westlichen Pflanzen, Stuttgart 2012.
C. Brendieck-Worm/M. Melzig: Phytotherapie in der Tiermedizin, Stuttgart 2018.
U. Bühring: Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde, Stuttgart 2014.
J. K. Crevin/J. Philpott: Herbal medicine past and present, Durham 1990.
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2020/06/15/kamille-altbewaehrt-und-ne u-belegt https://www.ptaheute.de/serien/heimische-heilpflanzen/kamille-antientzuendlich-wundheilend-kr ampfloesend