Das Thema Ingwer in der Tierfütterung ist mir ein besonderes Anliegen. Denn die Knolle des "Zingiber officinale" ist aktuell schwer in Mode. Längst ist auch die Futtermittelindustrie auf diesen Zug aufgesprungen und bietet Ergänzungsfutter mit Ingwer gegen Arthrose und andere Krankheiten des Bewegungsapparates für Pferde, Hunde und Katzen an. Überall werden die großartigen Eigenschaften des Ingwers für Tiere über den Klee gelobt. ... Schon aufgrund dessen sollte man misstrauisch werden. Nichts ist perfekt. Alles hat sein für und wider. Und es gibt keine Wundermittel. Auch nicht in der Natur. Doch vom "wider" hören wir meistens nichts... Seltsam, oder?
Ich beobachte mit Sorge, wie Menschen jahrelang unreflektiert Ingwer in ihre Tiere schaufeln - vor allem Pferden und Hunden wird Ingwer viel gegeben. Einmal davon abgesehen, dass es eigentlich kein "Heilmittel" gibt, das dauerhaft gegeben werden sollte, ist den Menschen oftmals nicht klar, dass auch Pflanzen Nebenwirkungen haben können. Und zwar beträchtliche. Aber woher sollten Sie das auch wissen. Davon wird ja kaum erzählt.
Wirkungen des Ingwers
Doch zuerst einen Blick auf "Zingiber officinale" selbst: Die Wirkungen erzeugenden Stoffe im Ingwer sind Bitterstoffe, ätherische Öle und Scharfstoffe, die sogennanten Gingerole und Shogaole. Die Bitter- und Scharfstoffe kurbeln sowohl die Magensaftbildung als auch den Gallenfluss und die Bauchspeicheldrüse an, warum Ingwer gern als Mittel gegen Übelkeit, Appetitlosigkeit und Blähungen verwendet wird. Die Scharfstoffe wirken fiebersenkend und schmerzlindernd und sind in ihrer chemischen Struktur dem Aspirin ähnlich. Wie Aspirin auch, docken sich die Gingerole an die Schmerzrezeptoren an, belegen diese und dadurch wird das Schmerzempfinden unterdrückt.
Verdauungsstörungen / Magenprobleme & Ingwer
Soweit so gut. Da "Wirkung" aber nie nur in eine und zwar die gewünschte Richtung geht, (auch nicht bei Pferden, Hunden & Katzen) sehen wir uns doch einmal die (meist nicht publizierte) andere Richtung an: Wenn ein Tier an Verdauungsbeschwerden aufgrund verminderter Magensaftbildung, vermindertem Gallenfluss und nicht sonderlich aktiver Bauchspeicheldrüse leidet, dann ist Ingwer bestimmt eine Wohltat. Doch Verdauungsbeschwerden können sehr oft auch ganz andere Ursachen haben. Nehmen wir einmal das Gegenteil an: Wenn der Magen schon zu viel Magensäure produziert und die Magensaftbildung nun noch weiter gesteigert wird, kann sich die Wirkung des Ingwer umkehren. In einem Eigenversuch habe ich diese Auswirkungen leidvoll erfahren, indem ich genau die Symptome heraufbeschwor, gegen die Ingwer helfen soll: Übelkeit, Magenschmerzen, Krämpfe etc. [Kurzer Exkurs: Diese Umkehrung kennen wir auch aus der Homöopathie: eine kurze Zeit das richtige Mittel eingenommen, kann helfen - das gleiche Mittel zu lange eingenommen, kann genau die Symtome hervorrufen, gegen die es helfen soll. Darum gilt in der Homöopathie ja auch der Grundsatz "Gleiches mit Gleichem zu bekämpfen"]. Auch bei Pferden und Hunden mit empfindlichen Mägen habe ich diesen Effekt beobachtet: Die Magensituation verschlechterte sich relativ schnell nach Beginn der Eingabe von Ingwer... obwohl dies als Nebenwirkung des Ingwers so gut wie nie genannt wird.
Erkrankungen des Bewegungsapparats & Ingwer
Viel populärer als für den Verdauungsbereich ist Ingwer aber in Hinsicht auf Beschwerden des Bewegungsapparates (vor allem in der Pferde- und Hundefütterung): Bei Arthrose, Spat, Hüftgelenksdysplasie, Kissing Spines, Hufrehe, Hufrollensydrom und so weiter wird Ingwer gefüttert. Und da es sich bei den meisten um chronische Erkrankungen handelt, wird Ingwer dem Pferd und Hund dann auch jahrlang verabreicht. Warum? Weil die Pferde- udn Hundehalter einen schnellen Effekt sehen: Die Lahmheit verbessert sich oftmals signifikant. Und dieser Umstand wird sofort auf der positiven Seite verbucht. Die Besitzer sind begeistert und der Händler hat ein super Verkaufsargument. Aber ist das wirklich so positiv wie es aussieht? Wie schon gesagt, beruht die Wirkung der Gingerole auf einer Herabsetzung der Empfänglichkeit für Schmerz, so wie es Aspirin tut. Würden Sie aber Ihrem Pferd oder Hund statt Ingwer tatsächlich ein synthetisches Schmerzmittel geben wollen - und das dauerhaft - wird Ihnen Ihr Tierarzt erklären, dass dies zu schweren Nebenwirkungen wie Magenblutungen führen kann. Und da die Scharfstoffe von Ingwer reizen (daraus resultieren ja auch die positven Effekte), können sie auch negative Effekte hervorrufen. Darüberhinaus wird Ihnen Ihr Tierarzt wahrscheinlich auch sagen, dass die Gabe von Schmerzmitteln nur die Symtome bekämpft, aber nichts am Zustand der Krankheit selbst ändert. Ein Umstand der schwerwiegende Folgen haben kann! Denn Schmerz ist das "Stopp-Schild" des Körpers. Schmerz zeigt an, dass etwas nicht in Ordnung ist und sorgt dafür, dass diese Körperregion von unseren Pferden und Hunden nur in dem Maße belastet wird, wie es die erkrankte Stelle aushalten kann. Wird der Schmerz ausgeschaltet, belastet das Tier den ganzen Kröper wieder voll - als wäre es komplett gesund. Dadurch können große Schäden entstehen:
Hufrehe & Ingwer: eine fatale Kombination!
Nehmen wir das Thema Hufrehe beim Pferd: Durch Stoffwechselentgleisungen wird eine Entzündung der Huflederhaut ausgelöst. Schreitet die Entzündung fort, beginnt die Huflederhaut zu reißen. Es kommt zu einer Hufbeinrotation. Im schlimmsten aller Fälle bricht das Hufbein dann durch die Sohle durch und liegt frei. Dann bleibt meist nur noch die Nottötung. Es ist also äußerst wichtig, dass das Pferd die geschädigten Hufe extrem schont, damit die Schädigung nicht noch weiter fortschreitet und im schlimmsten aller Fälle endet. Ist der Schmerz ausgeschaltet, hat das Pferd aber keinen Anhaltspunkt mehr dafür, wie viel oder wie wenig es seine Hufe belasten darf. Und das Unglück nimmt seinen Lauf.
Spat & Ingwer : auch kein ideales Paar
Das ist jetzt ein extremes Beispiel, aber im Prinzip gilt das für fast alle Erkrankungen des Bewegungsapparats. So ist bei Spat/Arthrose der Sprunggelenke zum Beispiel eine langsame, anhaltende Bewegung auf gerade Strecke durchaus förderlich. Ein Pferd zum Beispiel, das beim Bocken und Laufen enger Kurven Schmerzen hat, wird dies tunlichst unterlassen. Ist die Schmerzreaktion des Tieres allerdings gedämpft, wird es trotz Spatbefund bocken und enge Wendungen nehmen. Dadurch wird die Schädigung des Sprunggelenks weiter fortschreiten. Tiere sind eben nicht so ruhig zu stellen, wie wir Menschen. Und darum müssen wir Besitzer über den Einsatz von Schmerzmitteln ganz genau nachdenken. AUCH über den Einsatz von pflanzlichen Schmerzmitteln. [Am Rande ist hier auch noch zu bemerken, dass Ingwer (auch ebenso wie Aspirin) blutverdünnende Eigenschaften hat und dies in Hinsicht auf Verletzungen sowie plötzlich nötige Operationen "ungünstig" sein kann. Außerdem kann die "aufheizende" Wirkung des Ingwer gerade bei heißblütigen und nervösen Pferden nach hinten, bzw. nach oben losgehen ].
Katzen & Ingwer - Das kann tödlich enden...
Dass Katzen aufgrund ihrer Glucuronidierungsschwäche keine ätherischen Öle und Scharfstoffe vertragen und schwere Vergiftungserscheinungen aufweisen können, wenn sie dennoch welche bekommen, möchte ich hier auch kurz erwähnen, um aufzuzeigen, dass manche Tierarten grundsätzlich ÜBERHAUPT kein Ingwer vertragen und haben dürfen.
Entzündungshemmer Ingwer
Einen positiven Effekt des Ingwers haben wir noch nicht behandelt: die Fähigkeit, Entzündungen zu hemmen. Und an dieser Wirkung gibt es auch nichts zu schmälern. So ist das halt mit den Scharfstoffen: Sie sind unheimlich effektiv, wenn es um die Entzünungshemmung geht. Aber sie können halt auch massive Nebenwirkungen haben. Letzendlich muss jeder Tierhalter selbst über das Für und Wider des Ingwers abwägen. Wichtig ist nur, dass er das Wider überhaupt kennt. Und sich darüber im Klaren ist, dass die Krankheit seines Tieres unter Ingwer eventuell schneller voranschreitet als ohne - und das unbemerkt! Das ganze Drama wird dann erst ersichtlich, wenn der Ingwer einmal komplett abgesetzt wird. Und dann? Dann bleibt doch nur noch die lebenslange Gabe von Schmerzmitteln, um das Tier überhaupt noch am Leben zu halten. Ob es das Wert ist?
Fazit:
Natürlich kann Ingwer gute Dienste leisten. Wenn mit ihm sorgsam umgegangen wird. Es spricht meines Erachtens gar nichts dagegen, Ingwer ein paar Wochen lang als Kur zu füttern, um akute Entzündungen des Bewegungsapparats zu beseitigen. (Vorausgesetzt es handelt sich um chronische Krankheitsgeschehen und nicht um akute, welche eine Entlastung des betroffenen Bereichs unumgänglich machen.) Anschließend ist es aber meiner Ansicht nach viel effektiver und weniger riskant mit Pflanzen weiterzuarbeiten, die auch direkt in das Krankheitsgeschehen eingreifen können und dabei deutlich niedrigere Nebenwirkungen aufweisen (Welche das sind, erfahren Sie demnächst in einem neuen Artikel).
Bilder: © gyuri p/Fotolia.com
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Eva-Maria
Hallo.
Vielen Dank für die Aufklärung. So habe ich das noch nie gesehen.
Gruß E.M.Dorsch
Norma Schöneck-Settle
Es steht außer Zweifel, daß jede Art von Therapie, sowohl schulmedizinische als als auch naturheilkundliche, genauso Wirkung wie Nebenwirkung haben kann. Dies ist auch genau der Grund weshalb diese Therapien von entsprechend ausgebildeten Fachleuten durchgeführt werden sollten.
Nicht der Einsatz von Ingwer als solchem - ggf. auch langfristig - ist bedenklich, sondern die bedenkenlose Verabreichung durch Leien, oftmals in der Erwartung hierdurch Kosten für Tierarzt, Heilpraktiker und Physiotherapeuten sparen zu können!
Gerade viele der im Artikel genannten Erkrankungen erfordern langfristige entzündungshemmende Maßnahmen um, je nach Stadium, die Rehabilitation zu ermöglichen und/oder ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern oder zu verzögern.
Die hiermit einhergehende Schmerzlinderung sollte man ohnehin eher als Nebeneffekt betrachten.
Und selbstverständlich sollte man eine Schmerzfreiheit des Tieres nicht dazu ausnutzen es zu überfordern und zu überlasten. Dies gilt insbesondere für Pferde.
Hier nämlich liegt es in der Verantwortung des Tierhalters sich den Rat eines qualifizierten Physiotherapeuten oder Physiotrainers zu holen, der einem genau sagen und zeigen kann, welche Form der Bewegung und des Trainings jetzt und künftig für die Gesundheit des Pferdes notwendig und sinnvoll, und welche schädlich sein kann.
Und genau in diesem Zusammenhang ist es gerade die Schmerzlinderung , die eine Erarbeitung und Wiederherstellung normaler physiologischer Bewegungsabläufe oft erst wieder ermöglicht.
Standardratschläge wie ``Geradeausreiten“ sind therapeutisch eher kontraproduktiv, viel zu pauschal und werden dem Einzelfall viel zu wenig gerecht!
Bewegung ist in der Therapie eines Bewegungstieres wie das Pferd eines ist das ``A und O , und Ingwer kann im Rahmen eines Gesamttherapiekonzeptes außergewöhnliche gute Dienste leisten wenn er mit Sinn und Verstand von Fachleuten eingesetzt wird – auch längerfristig!
MfG
N.Schöneck-Settle
Herdis Hiller
Ich sehe das ganz genauso: Natürlich ist eine entzündungshemmende Wirkung und auch eine Schmerzlinderung gerade bei chronischen Erkrankungen absolut angezeigt. Und natürlich ist es wichtig, um Folgeerkrankungen zu vermeiden, normale Bewegungsabläufe möglich zu machen.
Wichtig ist nur, die möglichen Nebenwirkungen im Blick zu haben. Denn dann ist es möglich, diese durch prophylaktische Maßnahmen von vorn herein abzufangen.
So lange es Alternativen gibt (und die gibt es ja durchaus), sehe ich aber keinen Grund, eine Pflanze (egal welche) dauerhaft zu geben.
Mira
Interessanter Artikel! Wäre dann der Einsatz von Ingwer für einen begrenzten Zeitraum eine sinnvolle Alternative zu Metacam welches der TA zur Behandlung eines Arthrose-Schubes (angezeigt durch Lahmheit) einsetzt?
Herdis Hiller
Ja, für einen begrenzten Zeitraum kann auch Ingwer ein Bestandteil der Arthrose-Begleitung sein. Vorrausgesetzt, Nerven und Magen bleiben stabil, es steht keine OP an und es besteht keine Allergie gegen die Inhalststoffe.