Das Thema Mineralfutter scheint einen Großteil unserer Welt als Pferdebesitzer zu bestimmen und führt vor allem zu einem: Verunsicherung. Nicht zuletzt aufgrund des immensen Angebotes an Mineralfuttern und mineralisierten Ergänzungsfuttermitteln unterschiedlichster Hersteller, erscheint der Markt unüberschaubar. Wer zu hinterfragen beginnt, was das Pferd wirklich benötigt und wie hoch der Bedarf tatsächlich ist, stößt unweigerlich auf die Themen Inhaltsstoffe, Zusatzstoffe, Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen. Doch wie kann Licht in den Mineralfutterdschungel gebracht werden?
Zunächst einmal schauen wir uns an, was das sogenannte „Mineralfutter“ überhaupt ist, welche Zutaten artgerecht sind, ob es notwendig ist oder der Nährstoffbedarf über das Rauhfutter gedeckt werden kann, was es mit anorganischen und organischen Mineralstoffen und der sogenannten Bioverfügbarkeit auf sich hat, welche Anforderungen ein gutes Mineralfutter erfüllen sollte und ob es aus Kräutern bestehen kann.
Was ist ein Mineralfutter?
Ein „Mineralfutter“ wird rechtlich zu den Mischfuttermitteln in der Unterkategorie der Ergänzungsfuttermitteln eingeordnet. Es muss gemäß Art. 3 Absatz 2 j) VO EG 767/2009 hohe Gehalte eines oder mehrerer (meist anorganischer) Stoffe aufweisen, ist selbst aber nur zusammen mit anderen Futtermitteln für die tägliche Ration bedarfsdeckend. Um als Mineralfuttermittel bezeichnet werden zu dürfen, muss es überwiegend aus „… mineralischen Einzelfuttermitteln zusammengesetzt sein und mindestens 40% Rohasche enthalten…“ (VO EG 178/2002). Besteht ein Ergänzungsfuttermittel hingegen aus Futtermitteln mit Futterwert und ist der Rohaschegehalt geringer, handelt es sich um ein „mineralisiertes Ergänzungsfuttermittel“. Diese dürfen auch um Vitamine ergänzt sein (= vitamiert; Coenen&Vervuert, 2019).
Die Bezeichnung „Mineralfuttermittel“ oder ein hoher Rohaschegehalt verrät jedoch nichts über die Qualität oder Eignung der verwendeten Mineralstoffverbindungen für das Pferd. Rohasche ist lediglich der anorganische Rest eines Futtermittels nach Verbrennung bei 550°C, wie es die Weender Analyse vorsieht (LUFA, 2025). Denn auch Verunreinigungen oder Sand erhöhen den Rohaschegehalt. Aus ernährungsphysiologischer Sicht ist der Gehalt an Rohasche kaum aussagekräftig. Da es der groben Vergleichbarkeit von Futtermitteln dient, werden die Ergebnisse der Weender-Analyse vom Gesetzgeber gefordert (VO EG 178/2002; VO EG 767/2009).
Wer unsicher ist, schaut auf die Deklaration, häufig ist das vermeintliche „Mineralfutter“ ein mineralisiertes und vitaminiertes Ergänzungsfutter. Da die Verwendung dem Zweck dient Pferde mit Mineralstoffen zu versorgen und aus Gründen des besseren Leseflusses, werden im Folgenden Mineralfuttermittel und mineralisiertes Ergänzungsfuttermittel zusammen als „Mineralfutter“ bezeichnet.
Exkurs: Verdauung von Pferden ist hochspezialisiert
Die Verdauung unserer Hauspferde ist angepasst an die karge Steppennahrung der gemäßigten Klimazone. Somit hat sich das Pferd im Laufe der Evolution auf die Verwertung von überständigem Gras, Wildkräutern, Keimlingen von wildwachsenden Urgetreiden, Blattwerk, Wurzeln, Wildfrüchten und in geringem Umfang Beerenfrüchten spezialisiert (Meyer&Coenen, 2014). Dabei ist die Ausnutzung der rohfaserreichen Kost zwar nicht so effizient wie die von Wiederkäuern, was das Pferd aber mit einer längeren Fressdauer und schnelleren Futteraufnahme wett macht. Die Verdauung von Pferden ist hochspezialisiert auf das Pressen von Inhaltsstoffen aus jungen Pflanzen, was durch die besondere Zahnstruktur während des Kauens, und das Aufschließen cellulosereicher Futterbestandteile durch Fermentation und Aufschluss über Darmsymbionten geschieht. Das macht die Verdauung im Übrigen auch so empfindlich. Jegliche Art der Futterumstellung hat z.T. schwerwiegende Auswirkungen auf die beteiligten Mikroorganismen (Wegenroth&Vervuert, 2021). Sie ist abhängig von einer ausreichenden Menge Rauhfaser. Die Spezialisierung und lange Fresszeiten (etwa 16 Stunden/Tag) führen zu einer guten Aufnahme von Mineralstoffen und Vitaminen aus der kargen Kost (Coenen&Vervuert, 2019)
Warum sollte ein „Mineralfutter“ gefüttert werden?
Freilebende Pferde haben ein großes Nahrungsspektrum und fressen selektiv, d.h. sie fressen gezielt und intuitiv bestimmte Pflanzen (Coenen&Vervuert, 2019). Leider fehlt es unseren Pferden heutzutage meist an der natürlichen bedarfsdeckenden Ausgewogenheit und Vielfältigkeit. Da Hauspferde nicht mehr umherziehen, oft auf ursprünglich für Rinder angelegten Weiden mit gezüchteten Hochleistungsgräsern grasen, keinen Zugang zu Wildkräutern oder Blattwerk, Wurzeln oder Rinden haben, nehmen sie nicht mehr alle Mineralstoffe und Vitamine in ausreichendem Umfang auf. Dazu kommt, dass die Böden, auf denen die Pferde grasen oder das Grundfutter geerntet wird, insgesamt mineralstoffarm sind oder Defizite an bestimmten Mineralstoffen aufweisen. Je nach Standort weisen Böden unterschiedliche Gehalte an Nährstoffen auf. Selenarmut von Böden ist hier ein Schlagwort. Auch die Bodengehalte an Kupfer oder Zink sind oft grenzwertig oder zu gering. Bei Jod gibt es ein Gefälle. Während Böden direkt an Küstengebieten meist gute Jodwerte aufweisen, sinkt dies in Abhängigkeit der Entfernung zum Meer (Kienzle&Möllmann, 2009; Bokisch, 2019).
Merke: Ein „Mineralfutter“ sollte das Grundfutter ergänzen und artgerechte Zutaten enthalten
„Mineralfutter“ sind also Ergänzungsfuttermittel. Sie sollten das Grundfutter ergänzen, indem sie Nährstofflücken z.B. von Mineralstoffen oder Vitaminen decken. Da Grundfutterrationen jedoch sehr unterschiedlich sind, kann es DAS eine Mineralfutter für alle Rationen nicht geben. Am geeignetsten ist ein „Mineralfutter“, dass das Grundfutter am besten ergänzt (Meyer&Coenen, 2014). Denn sowohl eine dauernde Überversorgung als auch Unterversorgung wäre schädlich für die Pferdegesundheit (Wegenroth&Vervuert, 2019).
Hand aufs Herz: Wer hat sich wirklich schon mal detailliert damit beschäftig, ob die tägliche Ration seines Pferdes (bestehend aus der Rauhfutter und sämtlichem Zusatzfutter) bedarfsdeckend ist? Ein erster Schritt ist der Blick aufs Zutatenverzeichnis des Ergänzungsfuttermittels mit der Frage: Handelt es sich bei den Zutaten um geeignete Futtermittel für Pferde? Je artgerechter und unverarbeiteter, umso geeigneter fürs Pferd. Erinnern wir uns daran, dass die Verdauung hochspezialisiert ist. Oft sind Isolate enthalten, die dem Pferd meist nur mit erheblich vielen Zusatzstoffen (z.B. Melasse oder Würz- und Aromastoffe) schmackhaft gemacht werden. Auch nicht artgerechte Futtermittel in unsachgemäßer Verarbeitung (z.B. extrudierter Mais, Erbsenfaser, Magermilchpulver) belasten den Pferdeorganismus und weisen häufig Nährstoffdefizite auf. Am Beispiel Mais zeigt sich der hohe Stärkegehalt, die geringe biologische Wertigkeit des Proteins und Tryptophan als limitierende Aminosäure (Wenzel, 2018).
Kritische Nährstoffüberversorgung oder Nährstofflücken?
In der Natur unterliegt die Versorgung mit Nährstoffen jahreszeitlichen Schwankungen. Das trifft auch auf unsere Hauspferde zu. Kommen Pferde ab Frühjahr auf die Weide sind sie im Erhaltungsstoffwechsel i.d.R. ausreichend versorgt mit Kalium, B-Vitaminen, Carotinoiden (Provitamin A), Vitamin D und E. Calcium- und Phosphorgehalte von Weidegras sind häufig in Ordnung, es wird aber aufgrund von Schwankungen empfohlen diese im Verhältnis 2:1-3:1 (Ca:Ph) in geringer Menge über ein Mineralfutter zu ergänzen. Da im Heu tendenziell weniger Calcium als im Gras enthalten ist, sollte ein „Mineralfutter“, das im Winter gefüttert wird, mehr Calcium enthalten als im Weidehalbjahr. Empfohlen wird auch die ganzjährige Ergänzung von kleinen Mengen an Magnesium. Kupfer- und Zink sind oft im Grenzbereich oder zu gering. Um eine gewisse Sicherheitsspanne zu gewährleisten, sollten diese im Mineralfutter enthalten sein. Bei Natrium und Chlorid besteht immer ein Mangel, so dass sie ergänzt werden müssen. Deutschland ist ein Selenmangelgebiet. Wenn nicht mit Selen gedüngt wurde, was im Pferdebereich kaum vorkommt, sollte Selen über das Mineralfutter zugeführt werden. Stehen Pferde in küstennahen Regionen, ist die Versorgung mit Jod wahrscheinlicher als in küstenfernen Gebieten. Dort sollte Jod auf jeden Fall Jod ergänzt werden (Meyer, 2007; Coenen&Vervuert, 2019; Vervuert, 2021). Einige Besonderheiten gibt es bei z.B. Mangan. Mangan ist meist nicht ausreichend enthalten, wenn Luzerneheu gefüttert wird oder Gras oder Heu aus kalk- oder sehr sandhaltigen Böden stammen (Meyer&Coenen, 2019).
Es gibt saisonale Unterschiede bei der Versorgung mit Mineralstoffen und Vitaminen abhängig vom Rauhfutter
Vitamin B1 ist bei nicht einwandfreier Heuqualität (Schimmel, lange Lagerung) kritisch zu betrachten und sollte in diesen Fällen ergänzt werden. Bei Magenbeschwerden, Dysbiose oder Kobaltmangel können Pferde zudem unzureichend mit Vitamin B12 versorgt sein. Bei geringer Grünfutteraufnahme oder Fehlbesiedelung im Darm, kann es auch zur Unterversorgung mit Folsäure oder Vitamin K kommen. Bei reiner Heufütterung ist zudem die Versorgung mit ß-Carotin und Vitamin E knapp. Bei Stallhaltung und geringem Aufenthalt auf dem Paddock ist auch Vitamin D knapp. Deshalb sollten ß-Carotin, Vitamin E und ggf. Vitamin D während der Heusaison ergänzt werden (Meyer&Coenen, 2016). Je länger das Heu gelagert ist, desto größer wird die Versorgungslücke, so dass im Winter die tägliche Gabe eines Mineralfutters empfohlen wird, das o.g. Mikronährstoffe enthält (Wegenroth&Vervuert, 2021). Wichtig ist, dass sich ein geeignetes „Mineralfutter“ an der Grundfutterzusammensetzung und den Gehalten der wichtigsten Inhaltsstoffe orientiert und in einer Menge verfüttert wird, dass es diese deckt (Meyer&Coenen, 2014).
Sind Überversorgungen mit Nährstoffen möglich?
Es gibt erste kritische Berichte, dass Pferde heutzutage oft chronisch mit Energie und Nährstoffen überversorgt sind. Ob das per se ein Risikofaktor für Stoffwechselerkrankungen sein kann, ist noch nicht hinreichend untersucht (Meyer, 2007). Grundsätzlich vertragen die meisten Lebewesen einen Überschuss an wasserlöslichen Vitaminen (Vitamin C und Vitamin-B-Komplex) meist unbeschadet, weil diese mit dem Urin ausgeschieden werden. Bedenklich sind die fettlöslichen Vitamine (Vitamin A, D, E und K), weil diese im Fettgewebe gespeichert werden. Es ist teilweise fragwürdig in welcher Menge z.B. günstige Vitamine, wie Vitamin A, zugesetzt werden. Vitamin A würde das Pferd durch seine natürliche artgerechte pflanzliche Kost nicht aufnehmen, sondern nur dessen Vorstufen, die Carotinoide mit der bekanntesten Form, dem ß-Carotin. Der Organismus bildet Vitamin A aus den Vorstufen, wenn ein Bedarf besteht (Meyer, 2007; Biesalski, 2020). Welche Auswirkungen die ständige Versorgung über den Bedarf hat, ist bislang nicht untersucht.
Bei den Mineralstoffen besteht bei Pferden eine größere Toleranz gegenüber Magnesium und Zink als z.B. zu Selen (Meyer&Coenen, 2014). Grob lässt sich festhalten, dass bei Fütterung von Grundfutter und einem passenden Mineralfutter in der empfohlenen Menge selten mit einer Überversorgung zu rechnen ist. Die Gefahr einer Überversorgung besteht aber, wenn zusätzlich weitere angereicherte Zusatzfutter wie spezielle Ergänzungen, „Pferdemüslis“ oder Leckerlies kombiniert werden (Wegenroth&Vervuert, 2021). Dies ist exemplarisch für Selen gezeigt worden. Die unbedachte Kombination diverser Selen-enthaltener Ergänzungsfuttermittel führte bei Pferden zu einer Überversorgung und Selenvergiftung (Bokisch, 2019).
Braucht es eine Heuanalyse und Rationsberechnung?
Ein passendes Mineralfutter sollte die jeweiligen Nährstofflücken der Ration decken ohne zu einer Überversorgung mit fettlöslichen Vitaminen und Mineralstoffen zu führen. Im Idealfall wird dazu eine Grundfutteranalyse gemacht. Da Pferde aber meist auf verschiedenen Weiden grasen und unterschiedliche Heuchargen gefüttert werden, ist es verständlich, dass der Pferdebesitzer nicht jedes Mal eine neue Analyse machen möchte. Stammt das Grundfutter jedoch immer aus dem gleichen Betrieb, eignet sich eine Analyse als Basis für die Abschätzung der Nährstoffversorgung bis z.B. gedüngt wird (Kiezle&Möllmann, 2009). Für alle anderen, die ihr Pferd optimal versorgt wissen wollen, kann über eine Rationsberechnung der ungefähre Bedarf und die Nährstofflücken ermittelt werden. Hierbei werden durchschnittliche Nährstoffgehalte zu Grunde gelegt (teilweise auch regional). So kann ein „Mineralfutter“ ausgewählt werden, das bei Heu- oder Grasfütterung durchschnittliche Nährstoffdefizite ausgleicht (Coenen&Vervuert, 2019). Zusätzlich macht es Sinn in regelmäßigen Abständen per Labordiagnostik von Urin, Harn- oder Blutproben die Versorgung zu überprüfen (Vervuert, 2021).
Wichtig ist auch das Arbeitspensum des Pferdes zu berücksichtigen. Sportpferde haben selbstverständlich einen anderen Nährstoffbedarf als Freizeitpferde. Auch Gravitation und Laktation erhöhen den Bedarf. Oft wird jedoch nicht bedacht, dass sich ein gesundes erwachsenes Pferd, das täglich eine Stunde moderat in allen Gangarten bewegt wird (also wirklich 7 Tage pro Woche eine Stunde arbeitet), meist keinen erhöhten Bedarf an Energie und Nährstoffen hat (GfE, 2014; Wegenroth&Vervuert, 2021). Es befindet sich i.d.R. im Erhaltungsbedarf. Es kann jedoch Phasen wie z.B. den Fellwechsel geben, in der der Bedarf z.B. an Mineralstoffen erhöht ist (Stelse-Heine, 2021). Bei erhöhtem Bedarf einzelner Mineralstoffe oder Vitamine kann ein gutes Mineralfutter um Einzelmineralstoffverbindungen oder Vitamine ergänzt werden (Coenen&Vervuert, 2019).
Sollten organische oder anorganische Mineralstoffe gefüttert werden?
Es scheint als spalte die Frage, ob es besser ist anorganische oder organische Mineralstoffe zu füttern die Welt der besorgten Pferdebesitzer. Zunächst eine kleine Aufklärung zur Begrifflichkeit: Mineralstoffe an sich sind immer anorganisch; anders als Vitamine. Im Gegensatz zu Vitaminen kommen Mineralstoffe aber kaum isoliert vor. Sie sind in ihrer Reinform reaktionsfreudig oder nicht beständig. Vereinfacht haben sie das Bestreben sich an andere Substanzen zu binden, damit sie stabiler werden. Je nach Bindungstyp wird umgangssprachlich von anorganischen oder organischen Mineralstoffen gesprochen. Bindungspartner können anorganischer oder organischer Natur sein. Wovon also gesprochen wird, wenn es um anorganische oder organische Mineralstoffe geht, sind immer Verbindungen von Mineralstoffen mit anorganischen oder organischen Substanzen.
Exkurs: Mineralstoffe werden zu den Nährstoffen gezählt, genauer zu den Mikronährstoffen. Zusammen mit den Makronährstoffen Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße haben sie Nährwert und müssen dem Körper zugeführt werden. Mineralstoffe werden wiederum in Mengen- oder Makroelemente (mehr als 50 mg/kg Körpergewicht; z.B. Ca, Ph, Mg, Na, Cl, K) und Spurenelemente (weniger als 50 mg/kg Körpergewicht; z.B. Zn, Ku, Se, J) unterteilt (LUFA, 2025).
Anorganische Mineralstoffverbindungen liegen in Form von Salzen vor. Beispiele für anorganische Verbindungen sind Magnesiumoxid, Calciumcarbonat oder Zinksulfat. Diese sind häufig in klassischen Mineralfuttermitteln (Rohaschegehalt mind. 40%) enthalten. Die organische Bindungsform wird als Chelatbindung bezeichnet. In diesem Fall ist der Bindungspartner z.B. eine Aminosäure. Es gibt die Theorie, dass einige organische Bindungsformen schneller oder in größerer Menge (d.h. ohne an den Bedarf angepasste Regelkreise) als anorganische Verbindungen über den Verdauungstrakt aufgenommen (=resorbiert) werden. Im Falle von Selen mag das sein. Es scheint so, dass organisch gebundenes Selen aus Selenohefen in größerem Umfang resorbiert wird als anorganisches Natriumselenit (Vervuert&Stoebe, 2013; Rauch, 2018). Da der Bedarf von Selen und die toxisch-aufgenommene Menge eng beieinander liegen, sollte hier genau abgewägt werden welches Selenpräparat abhängig vom Bindungstyp und der Versorgungslage gefüttert wird. Bei den meisten Verbindungen ist es aber wahrscheinlicher, dass die Resorption an den Bedarf angepasst ist. D.h. besteht ein Bedarf wird mehr resorbiert, als ist das Pferd ausreichend versorgt. Zudem werden größere Mengen z.B. an Magnesium (2-3-fache Menge) meist über den Urin ausgeschieden. Auch Zink wird in größerer Menge als dem errechneten Bedarf toleriert und ausgeschieden (Meyer&Coenen, 2014).
Bei der Frage, ob es besser ist, dem Pferd anorganische oder organische Mineralstoffverbindungen anzubieten, sollte nicht vergessen werden, dass die Pflanze sowohl anorganische als auch organische Bindungsformen enthält (Richter, 1998; Savada, 2019). Natürlicherweise nehmen Pferde also immer beide Bindungsformen auf. Es wäre schon sehr verwunderlich, wenn diese nicht auch dem Pferd zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stünden.
Was hat es mit der Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen auf sich und wovon wird diese beeinflusst?
Als Bioverfügbarkeit wird die Aufnahmekapazität eines Stoffes aus der Nahrung in den Körper bezeichnet (Biesalski, Grimm&Nowotzki-Grimm, 2020). Wie gut die Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen ist, hängt zunächst jedoch weniger von der Verbindungsart ab als von folgenden Faktoren:
- 1. Zustand des Pferdes
Tatsächlich hat den größten Einfluss auf die Bioverfügbarkeit, wie alt das Tier ist, ob es gesund oder (chronisch) krank ist, in welcher hormonellen Situation es sich befindet und wie es um die Verdauung und Darmflora bestellt ist. Auch der Fütterungszustand hat einen Einfluss auf die Bioverfügbarkeit. Während Alter, Geschlecht und Gesundheitsstatus und z.T. Fütterungszustand von den Besitzern nicht bis wenig beeinflussbar sind, kann die Bioverfügbarkeit über die Raufuttermenge und -qualität maßgeblich beeinflusst werden (Wegenroth&Coenen, 2007&2018). - 2. Raufuttermenge und -qualität
Raufuttermenge und -qualität haben großen Einfluss auf die Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen. Die Möglichkeit Mineralstoffe in den Körper aufzunehmen, steigt mit der Menge des gefütterten Raufutters. Deshalb sollte sichergestellt sein, dass ausreichend Raufutter (1,5-2 kg Heu pro 100 kg KM am Tag) in guter Qualität gefüttert wird. Dieses sollte auf natürliche Weise in vielen kleinen Portionen über den Tag verteilt werden. Denn die Bioverfügbarkeit der Mineralstoffe ist umso höher, wenn viele kleine als wenige, große Mahlzeiten gefüttert werden (Meyer& Coenen, 2014; Bender, 2022). Ganz nebenbei nähren die enthaltenen Rohfaserquellen (z.B. Cellulose und Hemicellulose) die Darmflora artgerecht und sorgen so für die Bildung wichtiger Vitamine. - 3. Freisetzung aus dem Nahrungsbrei
Je harmonischer die Verdauung ist (Kauvorgang, Magensaft, Durchmischung in der Darmpassage, Verdauungsenzyme, Gallenflüssigkeit, Weitertransport), desto besser werden die Mineralstoffe freigesetzt und dem Körper zur Verfügung gestellt. Eine gute Qualität vorausgesetzt, ermöglicht ein strukturreiches Raufutter mit geringem Gehalt von antinutritiven Stoffen (z.B. Phytinsäure, an die sich Mineralstoffe/Spurenelemente binden) die schrittweise Freisetzung und Aufnahme von Mineralstoffen aus dem Nahrungsbrei. - 4. Bewegung verbessert die Aufnahme in den Körper aus dem Verdauungstrakt
Bewegt sich das Pferd ausreichend, hat auch dies einen Einfluss auf die Bioverfügbarkeit, denn dies verbessert auch die Darmbewegungen. Diese sorgen dafür, dass es zu einer guten Durchmischung von Verdauungsenzymen und Nahrungsbrei, einer Grundvoraussetzung für die Bioverfügbarkeit, kommt. Ist die Darmpassage durch mangelnde Bewegung, Verdauungsbeschwerden oder nicht artgerechtes Futter (ein mit Raufutter gut gefüllter Darm regt die Darmperistaltik an, konzentrierte Futtermittel wie Kraftfutter weniger) zu kurz, sinkt die Bioverfügbarkeit. - 5. Vorhandensein von antinutritiven Stoffen
Antinutritive Stoffe sind z.B. Phytinsäure, Oxalsäure und Lektine. Viel Phytinsäure ist in Getreide und Leguminosen wie Soja. Es bindet Mineralstoffe wie Calcium, Eisen, Zink oder Magnesium, hemmt so die Aufnahme und reduziert die Bioverfügbarkeit. Auch Oxalsäure, die in Getreiden, Soja und weiteren Leguminosen vorkommt, verringert so die Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen. Soja enthält zudem Lektine, die sich als Proteine/Glykoproteine an Zellen oder Zellwände binden können und zu Schäden im Verdauungstrakt führen können. Nur durch Erhitzen über 70°C oder Fermentation werden sie unschädlich gemacht (Faber, 2009). - 6. Generelle Versorgung und Bedarf von Mineralstoffen
Die Aufnahme von Nährstoffen aus dem Nahrungsbrei hängt vorrangig von zwei Faktoren ab: Der Zufuhr und dem Bedarf des jeweiligen Nährstoffes. Die Resorption (Aufnahme aus dem Nahrungsbrei) und somit Bioverfügbarkeit steigt, wenn das Pferd einen Mineralstoff benötigt (z.B. bei Mangel oder erhöhtem Bedarf). - 7. Verhältnis von Mineralstoffen zueinander
Manche Mineralstoffe konkurrieren um Bindungsstellen im Körper. Deshalb hängt die Bioverfügbarkeit der Mineralstoffe z.T. voneinander ab und es kommt auf das Verhältnis an, in welcher Menge sie im Futtermittel enthalten sind. Bei Calcium und Phosphor ist das Verhältnis ideal, wenn Calcium um das 2-3-fache mehr enthalten ist als Phosphor. Ein gutes Calcium- zu Magnesiumverhältnis beträgt 3:1. Auch Eisen, Zink und Kuper konkurrieren in der Aufnahme miteinander. Wichtig ist zu verstehen, dass sich diese Verhältnisse immer auf die gesamte Futterration beziehen (Meyer&Coenen, 2014; NRC, 2006). - 8. Nährstoffe sollten im Nahrungsverband aufgenommen werden
Die Aufnahme von Mineralstoffen aus natürlichen Futtermitteln ist höher als die Bioverfügbarkeit von einzelnen Mineralstoffen, die isoliert aufgenommen oder zugefügt werden. Die in der Pflanze gegebene Struktur und die vorliegende Kombination der Nährstoffe sorgt für eine gute die Bioverfügbarkeit. Auch andere Nahrungsbestandteile wie z.B. Vitamin C erhöhen die Aufnahme in den Organismus z.B. bei Eisen (Biesalski&Grimm&Nowotzki-Grimm, 2020).
Es ist nicht hinreichend geklärt, ob organische Verbindungen von Pferden grundsätzlich besser oder schneller aufgenommen werden als anorganische. Die wenigen Studienergebnisse zu diesem Thema basieren häufig auf einseitigen Fütterungsstudien, in denen eine Mineralstoffverbindung zu einem Kraftfutter gegeben wurde, oder zu wenig untersuchten Pferden. Ob es zudem wichtig ist, wie schnell ein Mineralstoff aufgenommen wird oder ob es auf die Gesamtaufnahme ankommt, ist auch derzeit nicht eindeutig beschrieben (Meyer, 2007). Es ist wahrscheinlich, dass das Pferd -wie in der Pflanze vorkommend - beide Bindungsformen aufnehmen und für sich ausnutzen kann.
Merke: Je artgerechter, je besser die Qualität und je bedarfsgerechter die Versorgung mit Raufutter, desto besser ist Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen. Den größten Einfluss auf die Bioverfügbarkeit hat also die Verfütterung von qualitativ einwandfreien Raufutter und der Fütterung von Mineralstoffen im Nahrungsverband. Zudem ist der Bedarf, die Menge und das Verhältnis von Spurenelementen untereinander in der Gesamtration wichtig für die Aufnahme und somit Bioverfügbarkeit.
Warum ein Mineralfutter nicht aus Kräutern bestehen sollte?
Eine Deckung von Nährstoffen mit Kräutern ist i. d. R. nicht möglich. Kräuter enthalten neben Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen auch die „phytotherapeutischen“ Wirkstoffe. Würde eine Pflanze aufgrund ihres Nährstoffprofils ausgewählt werden, wäre die zu verfütternde Mengen, bei einer gleichzeitig womöglich zu hohen Zufuhr von Wirkstoffen, die Nebenwirkungen erzielen könnten zu groß. Zudem entfalten Kräuter gezielte Wirkungen im Organismus und es besteht bei den meisten Inhaltsstoffen nach einigen Wochen ohne Pause ein Gewöhnungseffekt. Im schlimmsten Fall könnten therapeutische Kräuterkuren nicht wirken oder gegenteilige Wirkungen erzielt werden. Würde ein Kraut nach dem Nährstoffprofil ausgesucht werden, könnte es sein, dass die pflanzlichen Wirkstoffe Tier kontraproduktiv sind und schwere Nebenwirkungen verursachen (Beispiel: Gerbstoffe, die dem Kot Wasser entziehen), da getrocknete Pflanzen meist geringe Mengen an Nährstoffen aufweisen.
Fazit: Welche Anforderungen sollte ein gutes Mineralfutter oder mineralisiertes Ergänzungsfutter haben?
In der Natur kommen Mineralstoffe anorganisch und organisch gebunden vor. „Natürlich“ sind also zunächst einmal beide Bindungsformen. Wie gut ein Mineralstoff aufgenommen werden kann, hängt dabei zunächst von individuellen Faktoren ab (Alter, Geschlecht, Gesundheits- und Ernährungszustand). Weitere große Einflussfaktoren sind die Beschaffenheit des Futtermittels (Qualität, Struktur, Rohfasergehalt), der Gehalt an anderen in Konkurrenz um Transportmechanismen stehende Mineralstoffe und antinutritive Stoffe wie z.B. Phytinsäure, die mit bestimmten Mineralstoffen unlösliche Komplexe bilden und somit nicht mehr für den Organismus zur Verfügung stehen. Je qualitativ hochwertiger und je optimaler der Raufasergehalt ist, desto höher ist die Bioverfügbarkeit der Mineralstoffe. Es ist wichtig für den Pferdeversorger zu verstehen, dass er viele Stellschrauben der Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen durch eine art- und bedarfsgerechte Fütterung von hochwertigem Raufutter selbst beeinflussen kann. Erst wenn all dies optimiert ist, sollte der Frage nachgegangen werden, ob das mineralisierte Ergänzungsfuttermittel gut bioverfügbare Nährstoffe enthält. Dennoch gibt es Verbindungen, die besser und solche, die schlechter in den Körper aufgenommen werden können. Dabei gilt, dass die Mineralstoffe umso besser aufgenommen werden, je ursprünglicher und unverarbeiteter ein Futtermittel ist und je artgerechter das Raufutter ist.
- Es sollte angepasst auf das Grundfutter sein und saisonale Nährstofflücken berücksichtigen (überwiegende Weidehaltung oder Heufütterung)
- Mineralstoffe sollten im Nahrungsverband gefüttert werden, dessen Basis artgerechte Futterkomponenten sind
- Am besten wird das Mineralfutter zeitnah nach oder vor der Raufutteraufnahme gegeben
Literatur und Quellen
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VO (EG) 178/2002. Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit. 2002 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32002R0178(Zugriff: 12.03.25)
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