Wie im vorherigen Blogartikel „Öl für Pferde: Öle in der Pferdefütterung“ beschrieben, kann die Fütterung hochwertiger pflanzlicher Öle den Speiseplan Deines Pferdes bereichern. Da weiterhin viele Halbwahrheiten um das Thema kursieren, kommt nun ein Update zum Stand der Forschung. 

1. „Pferde nehmen sehr geringe Mengen Öl am Tag auf.“ Ist das so?

Im Vergleich zur täglichen Rauhfutteraufnahme ist die Menge an natürlich aufgenommenen Pflanzenölen ohne Zweifel gering. Sie ist jedoch höher als weithin angenommen. Ein sich artgerecht ernährendes durchschnittliches Warmblut nimmt über den Tag verteilt bis zu 100 ml Pflanzenöl auf. Natürlich geschieht dies nur in Kleinstmengen und immer im Pflanzenverbund. 

Reines Öl wird von Pferden natürlicherweise also nicht aufgenommen. Es hat in der Natur auch keine Bedeutung für die Energieversorgung. Dennoch weisen Pferde eine gewisse Toleranz gegenüber größeren Mengen auf. Das wurde früher für schwer arbeitende Arbeitspferde genutzt, deren Haferrationen nicht selten 6 kg täglich betrugen. Da Hafer mit 5-6% Fettgehalt zu den ölreichen Getreiden gehört, wurden so schnell Ölmengen bis zu 300 ml aufgenommen. Unter bestimmten Umständen kann ein Pferd bei ausreichender Rauhfutterzufuhr also auch auf Fettsäuren als Energieträger zurückzugreifen. Ein gesundes Freizeitpferd, das artgerecht ernährt wird, benötigt aber keine großen Extramengen.

2. „Öl macht ein glänzendes Fell.“ Ist das so?

Reines Öl in größerer Menge aufzunehmen ist also nicht „pferdelike“. Das Pferd kann aufgrund eines fehlenden Reservoirs an Gallensäuren (es hat nicht wie der Mensch eine Gallenblase) keine größeren Mengen Öl auf einmal aufschließen. Das, was den Anschein hat, bei Fütterung größerer Mengen reinen Öls gesund auszusehen, ist nicht aufgenommenes und über die Haut ausgeschiedenes Öl. Es erzeugt zwar einen Fellglanz, hat jedoch keinen gesundheitlichen Nutzen. Unverdautes Öl wird auch über den Verdauungstrakt ausgeschieden. Bei großen Mengen besteht das Risiko für Fehlverdauung und Kolikgefahr.

3. „Es ist egal, in welcher Form Öl gefüttert wird.“ Ist das so?

Pferde nehmen Pflanzenöle arttypisch über Wiesenkräuter, Gräser, Wildpflanzensamen, Rinden, Beeren, Blatt- und Wurzelwerk auf. Um die Aufnahme pferdegerechter zu gestalten, kann Rauhfutter mit Öl besprüht oder kleine Mengen Öl z.B. in Heucobs gemischt werden. Die artgerechte Aufnahme erfolgt jedoch im Pflanzenverbund. Dies macht Fettsäuren besser aufnehmbar für den Pferdekörper und hat zwei weitere Vorteile.  In der Pflanze ist das Öl vor schädigenden Einflüssen wie Licht- und Sauerstoffeinfall geschützt. Die meist gleichzeitig enthaltenen Antioxidanzien wie Vitamin E oder C ist das Öl bewahren es vor Fettverderb. Somit sind die hochwertigen Fettsäuren länger haltbar als reines Öl. Unverarbeitete und ungeschälte Ölsamen wie Lein-, Hanf-, Schwarzkümmel-, Sonnenblumensamen (Achtung: Schimmelgefahr bei minderwertiger Qualität), Kürbiskerne oder auch Ölreiche Algenarten eignen sich gut für die Versorgung mit Fettsäuren. Gerne abwechslungsreich zur Verfügung stellen und kombinieren. Generell gilt, je artgerechter vielfältige die Fütterung gestaltet ist, desto besser ist die Versorgung. 

4. „Dicken Pferden sollte kein zusätzliches Öl gefüttert werden.“ Ist das so?

Um es vorwegzunehmen: Jedes Pferd ist auf die Aufnahme von Fettsäuren angewiesen. Während der Weidesaison nimmt ein Pferd diese reichlicher auf, als wenn gelagertes Heu oder andere Graskonserven gefüttert werden. In der dunklen Jahreszeit kann eine kleine Menge hochwertiger Pflanzenöle die Ration Deines Pferdes aufwerten. Ist die Wiese, auf der Dein Pferd weidet, arm an Wildkräutern, ungiftigen Sträuchern sowie Bäumen oder ist der Weidegang zeitlich stark begrenzt, ist es auch hier empfehlenswert auf Ölsamen zurückzugreifen. Neben den beschriebenen Vorteilen enthalten sie gleichzeitig ein Nährstoffplus in Form von essenziellen Aminosäuren und Mineralstoffen. Bei leichtfuttrigen Rassen oder bereits übergewichtigen Fellnasen sollte es natürlich in der Rationsgestaltung berücksichtigt werden. Denn Öle sind energiereicher als andere Nährstoffe. So liefert 1 g Fett 38 kJ (9 kcal), etwas mehr als doppelt so viel Energie wie Kohlenhydrate oder Proteine mit 17 kJ (4 kcal).

5. „Es sollten v.a. omega-3-Fettsäurereiche Öle gefüttert werden.“ Ist das so?

Tatsächlich ist das optimale Verhältnis von omega-3- zu omega-6-Fettsäuren bei Pferden nicht bekannt. Es wird vermutet, dass es ähnlich wie bei Menschen und Hunden zwischen 3:1 und 10:1 liegt. Oft werden die Empfehlungen für Menschen mangels Studien auf Pferde übertragen. Da Menschen aus biologischer Sicht Omnivore (Allesfresser), Pferde aber reine Herbivore (Pflanzenfresser) sind und sich deren Ernährungsgrundlage sowie Ernährungsweise komplett unterscheidet, sollte dies kritisch hinterfragt werden. Denn: Ergebnisse aus Fütterungsstudien deuten darauf hin, dass Menschen und Pferde Fettsäuren unterschiedlich verwerten:

  • Bei Pferden scheint die erhöhte Aufnahme von omega-3-Fettsäuren aus der Nahrung nur in begrenztem Umfang möglich zu sein. So ist die Ausscheidung über den Kot nach mehrwöchiger Futterergänzung mit omega-3-Fettsäuren höher als die Spiegel im Pferdeorganismus.
  • Die Fütterung von omega-3-Fettsäuren scheint die Blutspiegel von Pferden deutlich weniger zu beeinflussen als die von Menschen. So kommt es unter Nahrungsergänzung mit omega-3-Fettsäurereichen Ölen (anders als beim Menschen) zu keinem erheblichen Anstieg der daraus entstehenden Fettsäuren wie Eicosapentaensäure (EPA) oder Docosahexaensäure (DHA), die Vorstufen von entzündungshemmenden Gewebshormonen sind. 
  • Die Zufütterung der omega-6-Fettsäure Linolsäure führte bei Pferden nicht zu einem Anstieg von Arachidonsäure oder entzündungsfördernden Gewebshormonen. 

6. "Sonnenblumenöl wirkt entzündungsfördernd.“ Ist das so?

Öl aus Sonnenblumenkernen wirkt entzündungsfördernd. Hierfür verantwortlich gemacht wird die reichlich darin enthaltene omega-6-Fettsäure, Linolsäure. Als Beleg wird der Stand der Forschung bei Menschen herangezogen. So kann bei Menschen aus Linolsäure die omega-6-Fettsäure Arachidonsäure entstehen, aus der der menschliche Stoffwechsel entzündungsfördernde Gewebshormone (Eicosanoide der 2-er und 4-er-Reihe) bildet. Bei Pferden scheint dieser Umwandlungsweg wie unter „Halbwahrheit 5/Punkt 3“ beschrieben, jedoch nicht zu existieren. 

Auch für Menschen und Säugetiere mit ähnlichen Stoffwechselwegen ist es übrigens eine Halbwahrheit. Denn es ist falsch, dass aus Linolsäure zwangsläufig Arachidonsäure und somit entzündungsfördernde Eicosanoide entstehen. Linolsäure kann auch in gamma-Linolensäure umgewandelt werden. Die entzündungshemmenden und gefäßerweiterenden Wirkungen auf den Organismus sind in diesem Falle sogar vergleichbar mit denen von omega-3-Fettsäuren. Welche Eicosanoide im menschlichen Stoffwechsel gebildet werden, ist abhängig vom Insulinspiegel im Blut. Sind die Insulinspiegel hoch, werden entzündungsfördernde Eicosanoide gebildet. Sind die Insulinwerte im Blut gering, werden antientzündliche Gewebshormone gebildet. Bei Pferden wurde dies bislang nicht untersucht. 

Fazit: Linolsäurereiche Öle wie Sonnenblumensamenöl wirken also nicht per se entzündungsfördernd.Je stärker der Stoffwechsel des Pferdes belastet ist, desto wichtiger ist es nicht wahllos zu zufüttern, sondern die Gesamtenergiezufuhr und Fettsäurezusammensetzung im Auge zu behalten. Haben Pferde bereits Stoffwechselstörungen sollte vorsichtshalber auch omega-3-Fettsäurereiche Ölquellen ausgewählt werden. Im Zweifelsfall gilt es den Rat eines Tierarztes oder Tierheilpraktikers einzuholen.

Exkurs: Wie sich Pferde mit Ölen versorgen

Die arttypische Ernährung der umherziehenden Steppenbewohner enthielt ausreichend verschiedene Fettsäuren. Weil der Pferdekörper im Laufe der Evolution die Funktion eingespart hat, alle Fettsäuren selbst zu bilden, sind einige lebenswichtig (essenziell), d.h. sie müssen regelmäßig aufgenommen werden. Beim Fressen presst sich das Pferd die Öle frisch aus den Pflanzenteilen. Das Pferd kann die im Öl enthaltenen Fettsäuren nur verwerten und für sich nutzen, wenn diese durch Gallensäuren aufnehmbar gemacht wurden. Die durch fettspaltende Enzyme (Lipasen) freigesetzten Fettsäuren und Monoglyzeride werden über den Dünndarm aufgenommen und je nach Bedarf in körpereigene Stoffe umgebaut. Daneben sind pflanzliche Öle auch Transportvehikel für fettlösliche. 

Welche Fettsäuren in welcher Menge zur Verfügung stehen, kann einen Einfluss auf Stoffwechselprozesse haben. Um dies zu verstehen, ein kleiner vereinfachter Einblick in ihre Chemie: Fettsäuren sind unterschiedlich lang. Je nachdem, ob kurz oder lang, sind sie bei Temperaturen ab 10°C fest oder flüssig. Weiterhin gibt es gesättigte, einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren haben mindestens eine Doppelbindung im Molekül. Je nachdem, an welcher Position sich diese befinden, werden omega-3-, -6- oder -9-Fettsäuren unterschieden. Ob die Fettsäure kurz oder lang ist und wo eine oder mehrere Doppelbindungen sitzen, bestimmt die Weiterverwendung im Körper.

Literatur zum Nach- und Weiterlesen

Heckel, C. Einfluss von Omega-3-Fettsäuren aus Algen auf das Fettsäuremuster und auf Knochenparameter beim Pony. Dissertation, LMU München: Tierärztliche Fakultät. 2009. https://edoc.ub.uni-muenchen.de/10969/1/Heckel_Claudia.pdf (Zugriff: 17.11.2024)

Meyer, H. & Coenen, M. Pferdefütterung. 5. vollständig überarbeitete Auflage. Enke Verlag Stuttgart, 2014.

Rauch, D. Auswirkungen einer Supplementierung von n-3-Fettsäuren und Selen unterschiedlicher Quellen auf Blutparameter des antioxidativen Stoffwechsels beim Pferd. 2018. https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/4247 (Zugriff: 20.021.2025)

Wenzel, I. Futtermittelkunde für Pferde. Krippenfuttermittel. Hippothesen, 2018.